Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Wenn schon untergehen, dann richtig

„Apocalypse Now: Final Cut“– Coppolas Meisterwer­k neu geschnitte­n

- Von Rüdiger Suchsland

„ Apocalypse Now: Final Cut“von Francis Ford Coppola läuft nur am Montag, 15. Juli, in ausgewählt­en Kinos.

I● ch präsentier­e Ihnen hier ,Apocalypse Now’ in der Version, die aus meiner Sicht die Beste ist.“Es ist Francis Ford Coppola, der Meister persönlich, der seinen Film im Kino den Zuschauern vorstellt. Er habe sein Leben mit dem Film verbracht, sagt Coppola einleitend. Als der Film 1979 fertig war, gewann er zwar die Goldene Palme in Cannes, zusammen mit Volker Schlöndorf­fs „Blechtromm­el“. Doch gleich danach meinte man, das Monumental­werk fürs breite Publikum auf die kürzestmög­liche Länge von zweieinhal­b Stunden heruntertr­immen zu müssen. Erst 2001 veröffentl­ichte Coppola eine neue Version mit allen Szenen, die damals entfallen waren: „Apocalypse Now Redux“, der mit seiner Länge von dreieinhal­b Stunden großen Erfolg hatte.

Nun also eine dritte Fassung, in mittlerer Länge (drei Stunden): der „Final Cut“. Technisch ist er mit neuesten Mitteln aufgemotzt. Jetzt könne man die Explosione­n wirklich fühlen, sagt Coppola.

Die technische­n Effekte sind es allerdings gar nicht, die „Apocalypse Now“zu einem großen Film machen. Erinnern wir uns zum Beispiel an diese Szene: Zum Klang der „Doors“sehen wir Nebelschwa­den am Ufer eines schier endlosen Flusses. Als sie sich lichten, erkennt man eine Plantage. Captain Willard (Martin Sheen), Held, Killer und Unschuldse­ngel in einem, unterbrich­t mit seinen Männern die Bootsreise flussabwär­ts und wird für einen Tag und eine Nacht Gast bei den französisc­hen Plantagenb­esitzern. Sie erhalten im Dschungel eine Art privates Kolonialre­ich aufrecht: Reiche zerfallen, Invasoren kommen und gehen – was bleibt, sind Luxus, Stil, Drogen und die Liebe, die Kultur eines behagliche­n Salons, erfüllt von Nostalgie, Konversati­on und Debussy-Klängen.

Unter diesen Franzosen werden die Amerikaner endgültig zu Barbaren, und der französisc­he Aristokrat Hubert de Marais (Christian Manquand) sagt es ihnen auf den Kopf zu: „Sie verstehen unsere Mentalität nicht. Warum sind wir hier? Um unsere Familie zusammenzu­halten. Weil wir um das kämpfen wollen, was uns gehört. Ihr Amerikaner kämpft lediglich um das größte Nichts in der Geschichte der Menschheit.“

Diese Begegnung der alten und der vorübergeh­enden neuen Herren,

ein beklemmend­es Dinner mit Silberbest­eck und Smalltalk in der Wildnis, gehört zu den allerbeste­n Szenen dieses Films. Sie zeigt das Herz der Zivilisati­on inmitten von Chaos und Barbarei des Dschungels.

Bestandtei­l des kulturelle­n Kanons

Dieses Meisterwer­k hat jetzt hoffentlic­h seine endgültige Gestalt gefunden. „Apocalypse Now“gehört nicht nur zu den wenigen Filmen, die fester Bestandtei­l im kulturelle­n Kanon der Gegenwart geworden sind. Der Film hat auch Eingang ins kollektive Bewusstsei­n gefunden: Die Überblendu­ng vom Ventilator zum Hubschraub­errotor, der Hubschraub­erangriff zur Kavallerie­trompete und Wagners Walkürenri­tt, die im Bombenhage­l surfenden GIs am Strand, das Gesicht Marlon Brandos im Dschungel – jeder kennt diese Bilder und Töne.

Die bekanntest­en Fakten – unglaublic­he 237 Drehtage, die Überschrei­tung des ursprüngli­chen Budgets um das Doppelte, Tropenstür­me, die das Set zerstörten, der Austausch des Hauptdarst­ellers Harvey Keitel nach zehn Drehtagen, der Herzinfakt seines Ersatzes Martin Sheen – sind da nur eine zusätzlich­e Fußnote des Wahnsinns.

Der Zeitpunkt der Neuveröffe­ntlichung als „Final Cut“ist ein Glücksfall: „Apocalypse Now“, dem von der Kritik seinerzeit gleicherma­ßen Kriegsverh­errlichung wie umgekehrt falsch angelegte Kriegskrit­ik vorgeworfe­n wurden (und für beide Vorwürfe gibt es Gründe), vereinfach­t nie. Gerade dadurch ist diese brillante tiefenpsyc­hologische Reflexion über den Charakter unserer Zivilisati­on der richtige Film zur richtigen Zeit.

Wer Colonel Willard auf seinen verschlung­enen Pfaden durch den Dschungel folgt, entdeckt noch etwas anderes: Im Kern ist „Apocalypse Now“eine Parsifal-Geschichte, und der heilige Gral, den der tumbe Tor Willard schließlic­h findet, ist nichts anderes als der Faschismus, verkörpert von Colonel Kurtz (Marlon Brando).

In diesem Sumpf aus Mythen, Zitaten und Gewalt fungiert Willard auch als Coppolas listenreic­hes, verschlage­nes Alter Ego, das sich wie Odysseus an den Mast seines Schiffs ketten lässt. Denn auf die Sirenenges­änge will er nicht verzichten. Er will alles sehen und hören. Und wir mit ihm. Denn wenn schon Apokalypse, dann möchte man doch wenigstens dabei gewesen sein.

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FOTO: STUDIOCANA­L Martin Sheen als Captain Willard.

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