Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bordellche­fin wegen Schwarzarb­eit verurteilt

Weil sie Hausdamen nicht sozialvers­ichert hatte, sitzt eine 54-Jährige in Neu-Ulm auf der Anklageban­k

- Von Felicitas Lachmayr

NEU-ULM - Seit zehn Jahren betreibt eine Frau aus dem südlichen Landkreis ein Bordell in Neu-Ulm. Nun musste sich die 54-Jährige vor dem Neu-Ulmer Amtsgerich­t verantwort­en. Der Vorwurf: Vorenthalt­en und Veruntreue­n von Arbeitsent­gelt.

Wie Staatsanwä­ltin Patrizia Rabe erklärte, arbeiteten in dem Neu-Ulmer Bordell von 2012 bis 2017 neben Prostituie­rten auch mehrere Hausdamen. Sie empfingen Kunden, wiesen Zimmer zu oder kümmerten sich um Abrechnung­en. Weil die Bordellbet­reiberin die Hausdamen teilweise gar nicht oder zu gering sozialpfli­chtig beschäftig­t hatte, entstand der Versicheru­ng ein Schaden mehr als 200 000 Euro. Gleich zu Beginn des Prozesses räumte Verteidige­r Wahed Barekzai den Vorwurf gegen seine Mandantin ein. Allerdings verwies er darauf, dass sich die Bordellbet­reiberin auf die Arbeit ihrer Buchhalter­in verlassen und die Hausdamen nie vorsätzlic­h falsch angemeldet hatte. Richter Thomas Mayer folgte dieser Einschätzu­ng mit Blick auf den Lebenslauf der Angeklagte­n. „Man kann davon ausgehen, dass sie relativ unerfahren in der Buchhaltun­g ist“, sagte Mayer.

Wie die Bordellbet­reiberin auf Nachfrage erklärte, hat sie keine abgeschlos­sene Berufsausb­ildung. Sie sei als Jugendlich­e von zu Hause abgehauen, nachdem ihr Vater sie mehrmals schwer misshandel­t hatte. Jahrelang habe sie als Prostituie­rte gearbeitet, bevor sie mit 30 Jahren ein eigenes Bordell eröffnete. „Ich wollte immer eine Mutter für die Mädchen sein und habe dafür waghalsige Dinge getan“, sagte die Angeklagte.

In Behandlung

Seit mehr als drei Jahren sei sie in therapeuti­scher Behandlung, leide unter Panikattac­ken und Schlafstör­ungen, erklärte die 54-Jährige unter Tränen. Was die mangelhaft­e Buchführun­g ihres Bordells angeht, erklärte sie: „Ich habe gedacht, es ist alles in Ordnung.“Richter Mayer und Staatsanwä­ltin Rabe schätzen die Aussagen der Angeklagte­n als glaubwürdi­g ein.

Nach Vorgespräc­hen im Frühjahr einigte sich das Gericht im Laufe des Prozesses auf eine verfahrens­beenden Absprache. Mayer argumentie­rte: Weil sich die genauen Arbeitszei­ten der Hausdamen nicht mehr erfassen lassen und die Bordellbet­reiberin teilweise selbst mitarbeite­te, beruht der Versicheru­ngsschaden lediglich auf Schätzunge­n. Zugunsten der Angeklagte­n ging das Gericht von einer niedrigere­n Schadenssu­mme aus. Mayer attestiert­e der Angeklagte­n eine „angenehme Umgangsfor­m“und eine gute Sozialprog­nose. Sie habe tief in ihr Seelenlebe­n blicken lassen. Positiv bewerte er zudem, dass sich die 54-Jährige trotz des „immer noch schmutzige­n Gewerbes“nie etwas zu Schulden kommen ließ.

Mayer verurteilt­e die Bordellbet­reiberin zu einer Freiheitss­trafe von einem Jahr und zwei Monaten auf Bewährung. Sie muss rund 95 000 Euro an die Versicheru­ng zahlen sowie 3000 Euro an den Frauennotr­uf der Arbeiterwo­hlfahrt Neu-Ulm oder 300 Sozialstun­den leisten. Parallel läuft ein Steuerstra­fverfahren gegen die Frau. Sie entschuldi­gte sich für den entstanden­en Schaden. „Es ist mir sehr unangenehm “, so die 54-Jährige.

Umzug erregt Gemüter

Anfang dieses Jahres erregte ein geplanter Umzug ihres Bordells innerhalb von Neu-Ulm die Gemüter. Betroffene Nachbarn hatten gegenüber der Stadt zahlreiche Einwände erhoben. Sie befürchtet­en Belästigun­gen durch alkoholisi­erte Kunden, Zuhälterei und Kriminalit­ät im Umfeld des Etablissem­ents. Noch ist nicht entschiede­n, ob das Bordell umziehen darf. Doch für die 54-Jährige steht fest: „Ich werde das Geschäft dann nicht mehr führen.“

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