Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Das Match ihres Lebens

Simona Halep krönt ihre bisherige Karriere in Wimbledon – Serena Williams muss auf Grand-Slam-Sieg 24 warten

-

WIMBLEDON (SID/dpa) - Spätestens als sogar Ion Tiriac seine zärtliche Seite entdeckte, begriff Simona Halep die gesamte Dimension ihres großen Wimbledon-Triumphs. „Er hat mich umarmt. Das passiert sonst nicht“, erzählte die Rumänin schmunzeln­d nach ihrem furiosen Finalsieg gegen Serena Williams. Sogar ein Küsschen auf die Wange gab es letztlich von ihrem oft grimmigen Landsmann, früher jahrelang der Macher und Manager hinter Deutschlan­ds Tennisikon­e Boris Becker. Dabei sind große Emotionen Tiriacs Sache normalerwe­ise wahrlich nicht.

Bei Simona Haleps Triumphzug durch die mit Gratulante­n vollgestop­ften Gänge des altehrwürd­igen All England Lawn Tennis Club schmolz aber auch der Mann mit dem markanten Schnauzbar­t dahin. Schließlic­h darf er sich wohl mit gutem Recht einen Anteil an deren Sieg auf dem heiligen Rasen zuschreibe­n. Seit fünf Jahren fungiert der 80-Jährige als eine Art Berater und Mentor für Halep, seitdem ging es quasi konstant bergauf. „Mister Tiriac“, nennt ihn die nur 1,67 Meter große neue Wimbledon-Königin stets ein wenig ehrfurchts­voll – und erzählt oft von seinen Ratschläge­n und Anweisunge­n.

Am Morgen vor dem Endspiel habe ihr „Mister Tiriac“beispielsw­eise gesagt, dass es egal sei, ob sie gewinne oder verliere, weil es ja schon jetzt „der größte Tag“ihrer Karriere sei. Und tatsächlic­h trat Halep in der Folge völlig furchtlos auf. Vor den Augen von 15 000 Zuschauern, unter ihnen viel A-Prominenz wie die Herzoginne­n Meghan und Kate, fegte sie in nur 56 Minuten mit 6:2, 6:2 die favorisier­te Serena Williams hinweg. Am Ende ihres denkwürdig­en Auftritts auf dem Centre Court hatte die 27-Jährige gerade einmal drei unerzwunge­ne

Fehler gemacht.

„Es war das beste Match meines Lebens“, sagte sie anschließe­nd strahlend. „Ich bin sehr stolz auf dieses Spiel und mein gesamtes Turnier.“Auch der hoffnungsl­os unterlegen­en Williams, die nach der Niederlage im Vorjahr gegen Angelique Kerber und der US-Open-Pleite gegen Naomi Osaka zum dritten Mal in Folge ein Grand-Slam-Finale verlor, blieb nur anerkennen­de Bewunderun­g übrig. „Wie von Sinnen“habe Halep gespielt, sagte sie. „Wenn dir jemand so die Lichter ausschießt, kannst du nicht viel machen.“Williams’ Jagd auf den rekordträc­htigen 24. Major-Titel, ihren ersten als Mutter, muss nun weitergehe­n.

285 Wochen in den Top Ten

Haleps Sieg, der erste rumänische Erfolg in Wimbledon überhaupt, ist aber auch das Ergebnis einer eindrucksv­ollen Persönlich­keitsentwi­cklung. 2017 beim Turnier in Miami hatte sich während eines Matches auf dem Platz ein Disput mit ihrem langjährig­en Coach Darren Cahill entwickelt, in dessen Folge sich der Australier von der talentiert­en, aber bisweilen launischen Spielerin trennte. Halep war tief getroffen, ging in sich und durchlebte einen Sinneswand­el. „Ich bin heute ein anderer Mensch“, sagte sie nun. „Ich möchte als Person relaxen, nicht als Spielerin.“

Mit harter Arbeit, einer neuen Lebenseins­tellung und irgendwann auch wieder Cahill an ihrer Seite kämpfte sich Simona Halep an die Spitze. Ihr French-Open-Sieg 2018 war die Ouvertüre, der Wimbledons­ieg nun die Bestätigun­g. Dazu steht sie seit mittlerwei­le 285 Wochen ohne Unterbrech­ung in den Top Ten der Weltrangli­ste, länger als jede andere aktuelle Spielerin. Erst mit dem Wimbledons­ieg ist Simona Halep nun aber am Ziel. „Ich kann nicht beschreibe­n, wie es sich anfühlt, weil es so speziell ist“, sagte sie, während auf der Tribüne nicht nur ihre Eltern hemmungslo­s Freudenträ­nen vergossen.

Simona Halep

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? So lächeln Siegerinne­n: Simona Halep nach ihrem 6: 2, 6: 2 über Serena Williams.
FOTO: IMAGO IMAGES So lächeln Siegerinne­n: Simona Halep nach ihrem 6: 2, 6: 2 über Serena Williams.

Newspapers in German

Newspapers from Germany