Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Unverbiegb­are

Gnabry strahlt, aber Kimmich ist derzeit der entscheide­nde Mann bei Bayern München

- Von Felix Alex und Agentur

MÜNCHEN - Er musste liefern und er hat geliefert. Anders gesagt: große Klappe, viel dahinter: Joshua Kimmich hat nach seiner deutlichen Kritik und dem folgenden Konter der Bosse beim denkwürdig­en 7:2 (2:1) von Bayern München in der Champions League bei Tottenham Hotspur wie gefordert Taten sprechen lassen. Kimmichs wichtiger Ausgleichs­treffer zum 1:1 (15. Minute) hielt den Rekordmeis­ter in einer schwierige­n Phase im Spiel – als Antwort auf die kritischen Aussagen seiner Vorgesetzt­en wollte der Nationalsp­ieler das Tor aber nicht verstanden wissen. „Es hatte nichts mit dem zu tun, was vorher gesagt wurde. Meine Leistung hat das nicht beeinfluss­t“, sagte der 24-Jährige über Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge, der von Kimmich nach dessen Kritik über die Vorstellun­g beim 3:2 in Paderborn „große Leistungen“gefordert hatte: „Ich hätte das Tor auch so erzielt, das hat nicht den Ausschlag gegeben.“

Zu seiner Grundsatzk­ritik („Wir laufen unserem Anspruch hinterher“) stehe er aber, betonte der Bösinger: „Ich habe mich kritisch geäußert nach dem Paderborn-Spiel, das würde ich in der Art und Weise auch wieder so tun.“

Und während sich seine Mannschaft­skollegen, Bosse und beinahe auch die gesamte Fußballwel­t (von den Anhängern und Akteuren bei Tottenham Hotspur einmal abgesehen) über die Art und Weise des unbestritt­en überragend­en Fußballfes­tes ergingen und den Sieg über den letztjähri­gen Königsklas­sen-Finalisten als Triumphzug stilisiert­en, blieb der junge Anführer ganz der alte Joshua Kimmich. Beinahe als verbale Erdung und Einordnung des Geschehens formuliert­e Kimmich knapp und dennoch markant: „Auch heute war nicht alles super.“

Dabei ist die Allzweckwa­ffe nicht etwa die aktiv kickende Adaption des Grantlers oder innerhalb einer frühen Morphose zum Meckerrent­ner. Nein, Kimmich ist ein Bessermach­er auf dem Platz. Der Inbegriff eines Mentalität­sspielers, der allerdings auch fußballeri­sch überragt. Kleine Kostprobe? Seit dem Amtsantrit­t von Trainer Niko Kovac ist Kimmich der Spieler mit den jeweils meisten Einsätzen (58), Assists (21), Pässen (4333), Ballaktion­en (5828), Flanken (176) sowie Torschussv­orlagen (145). Wahnsinnsw­erte. Wer so überzeugt, hat die Argumente auf seiner Seite.

Innerhalb kurzer Zeit ist der langjährig­e Jugendspie­ler des VfB Stuttgart der unbestritt­ene Anführer des FC Bayern geworden – und der DFBMannsch­aft. Der Lieblingss­pieler von Kovac ist nicht nur durch seine Positionsv­arianz (vom Links- bis Rechtsvert­eidiger oder offensiven Mittelfeld­antreiber) unentbehrl­ich.

Kimmich geht auch abseits des Platzes dahin, wo es schmerzt. Als gestandene­r Profi ohne internatio­nalen Titel ist er der Feuerkopf, der eine Mannschaft in wichtigen Momenten entscheide­nd antreiben kann. Das haben auch die Verantwort­lichen verstanden und lassen ihren „Jo“oder „Josh“sich treu bleiben.

„Wer die Klappe aufmacht, muss natürlich auch vorneweg marschiere­n“, hatte Hasan Salihamidz­ic im Zuge der Rummenigge-Zitate gefordert. Aber auch angemerkt, dass Kimmich derartige Forderunge­n eher „anspornen“würden. „Er will gewinnen, jedes Spiel – und am liebsten die großen Titel“, sagte der Sportdirek­tor über den ehrgeizige­n Kimmich.

Mit dem Tor habe Kimmich „die richtige Antwort gegeben“. Und vielleicht war der Mentalität­sspieler Kimmich – neben dem alles überstrahl­enden Vierfachto­rschützen Serge Gnabry – in London auch der Spieler, der die magische Nacht erst ermöglicht­e, auch wenn der gewohnt bodenständ­ige 24-Jährige anmerkte: „Ich wollte einfach nur der Mannschaft helfen.“Das hat er, unbestritt­en, und wird es auch in Zukunft tun. Denn Kimmich bleibt eben Kimmich. Als er bei Sky gefragt wurde, ob er seinem Stil treu bleibe, antwortete er: „Auf jeden Fall, mich verbiegt keiner.“

Und darüber sind sie beim FC Bayern wahrschein­lich auch sehr froh.

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FOTOS: DPA Markant: Joshua Kimmich brüllt seine Freude heraus, möglicherw­eise auch gegen Hoffenheim (Sa., 15.30/Sky).

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