Wahlsieg dank Wohltaten
S● o sieht also der „gute Wandel“aus, von dem Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki spricht: Die Unabhängigkeit der Obersten Richter wird eingeschränkt, der öffentlich-rechtliche Sender TVP zum Propaganda-Apparat umfunktioniert und Minderheiten werden diskriminiert. Mit dem Wahlergebnis von 44 Prozent kann die nationalkonservative Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“(PiS) diesen Weg bequem weitergehen. Der Erfolg gibt ihr Kraft im Armdrücken mit der EUKommission, die wegen der umstrittenen Justizreform erstmals ein Rechtsstaatsverfahren gegen ein Mitgliedsland eröffnet hat.
Wer in den Bürgern Polens nun Liebhaber autokratischer Strukturen sieht, der irrt gewaltig. Auch wäre es ignorant, die PiS-Wähler zu EU-Feinden zu erklären. Denn der Umbau des Justizsystems ist für sie nur eine Fußnote der vergangenen Legislaturperiode. Er ist weit weg vom Alltag der Menschen. Was aber sehr wohl bei ihnen ankommt, ist das teure PiS-Programm zum Ausbau des Sozialstaats. Man vergisst beim Dauerzwist mit der EU leicht, dass die PiS dem Land eine bislang einmalige Sozialkur verpasst hat. Millionen von Eltern profitieren vom „Kindergeld 500+“. Umgerechnet 115 Euro bekommt jede Familie ab dem zweiten Kind – viel Geld in einem Land, in dem der durchschnittliche Bruttolohn rund 1000 Euro beträgt.
Auch hat die PiS-Partei das Renteneintrittsalter auf 65 abgesenkt und Rentner im Frühjahr mit einer Prämie von 225 Euro beglückt. Mit der Befreiung von der Einkommenssteuer will die PiS-Partei sich zudem die Stimmen von Berufsanfängern bis 26 Jahre erkaufen. Dazu kommt ein Wirtschaftswachstum, von dem westeuropäische Staaten nur träumen können.
Bei einer solchen Bilanz ist es nicht verwunderlich, dass die PiS die EU rechts liegen lässt. Doch die Wohltaten ihres Vorsitzenden und heimlichen Regierungschefs Jaroslaw Kaczynski sind teuer, die polnische Wirtschaft ist laut Ökonomen keineswegs stabil. Spätestens wenn das Geld ausgeht, wird die PiS sich daran erinnern, wem sie ihren Wohlstand mit zu verdanken hat – der gescholtenen EU.