Beim Geld sind sich alle einig
15 Verbände fordern das Land auf, Agrarförderung um 225 Millionen Euro aufzustocken
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STUTTGART - Rund 145 Millionen Euro zahlen EU, Bund und Land pro Jahr an Bauern, die ihre Flächen naturverträglich bewirtschaften. Doch ist das Geld gut eingesetzt und reicht es aus, um das Artensterben zu stoppen? Das haben Experten vom Institut für Agrarökologie und Biodiversität (Ifab) im Auftrag von 15 Verbänden untersucht, darunter neben Naturschutz-Organisationen die ÖkoAnbauverbände, die Schafzüchter und die Jäger. Ihr Fazit: Im Südwesten läuft bereits einiges sehr gut. Aber: Wenn es Grüne und CDU ernst meinten mit dem Artenschutz, müssten sie Landwirten deutlich mehr Geld zahlen – nämlich rund 225 Millionen Euro pro Jahr. Worum es geht und was Kritiker zu den Ideen sagen.
Wofür bekommen Landwirte Geld vom Staat?
Sie erhalten Förderung von der EU, vom Bund und vom Land. Das Geld fließt aus verschiedenen Töpfen und ist an unterschiedliche Bedingungen geknüpft. Das meiste Geld erhalten Landwirte pro Hektar Fläche, die sie bewirtschaften. In Baden-Württemberg sind das rund 400 Millionen Euro. Sie kommen direkt von der EU, im Schnitt machen die Zuschüsse rund 40 Prozent des Einkommens von Landwirten aus. Mit den Zahlungen soll unter anderem belohnt werden, dass sie Landschaften erhalten, wichtige Produkte erzeugen und im Vergleich zu anderen Gegenden der Welt viele Auflagen erfüllen müssen. Das Geld bekommen die Landwirte nur, wenn sie sogenante GreeningVorgaben erfüllen – zum Beispiel auf fünf Prozent ihrer Flächen naturnah wirtschaften oder sie länger brach liegen lassen. Kritiker halten diese Vorgaben aber für zu lasch. Außerdem fließt Geld, um das Leben im ländlichen Raum attraktiv zu halten. Hierin sind auch Mittel für Landwirte enthalten, die besonders umweltverträglich wirtschaften. Nach Berechnung der Ifab-Experten fließen für diesen Zweck von EU, Bund und Land rund 145 Millionen Euro pro Jahr.
Warum muss sich aus Sicht der 15 Verbände etwas ändern?
Zum einen sterben auch in BadenWürttemberg immer mehr Arten aus. Seit 1995 sank zum Beispiel die Zahl jener Vogelarten, die vor allem auf landwirtschaftlichen Flächen leben. Dazu gehören etwa die Feldlerche, der Kiebitz oder die Grauammer. Letztere gibt es im Land kaum mehr, 1995 zählte man dagegen noch knapp 1000 Brutpaare. Niemand weiß genau, welche Folgen das für ein Ökosystem hat – doch dass sie gravierend sind, ist klar. Einige Beispiele: Wenn Insekten aussterben, fehlt anderen Tieren die Nahrung. Pflanzen können nicht mehr bestäubt werden, für Lebensmittelund Arzneiproduktion fehlen wichtige Grundstoffe. Zum anderen hat die jahrzehntelange Förderpolitik aus Sicht der Verbände auch für die Landwirte selbst nichts Gutes bewirkt. „Während wir pro Jahr Millionen in die Agrarförderung stecken, müssen pro Jahr 3000 Landwirte aufgeben. Da läuft im Grundsatz etwas falsch“, sagte Brigitte Dahlbender, Landeschefin des BUND. Seit 1980 haben 70 Prozent der heimischen Höfe aufgegeben. Der Trend ist eindeutig: Wer nicht wächst, kann nicht mehr mithalten. Mitschuld sei die Förderpolitik der EU, so die Verbände. Diese belohne Betriebe mit großen Flächen. Notwendig sei eine neue Agrarpolitik: verträglich für Klima und Arten, aber auch für regionale, bäuerliche Betriebe. Sie leisteten viel, um die Landschaft und damit bestimmte Arten zu erhalten.
Was muss sich ändern?
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Grundsätzlich muss sich aus Sicht der Verbände besonders die EU-Förderpolitik ändern. Mehr Geld für umweltnahes Wirtschaften, weniger nur für die Fläche – das fordern Grüne, Umweltschützer und auch einige Agrarexperten seit Langem. Doch derzeit sieht es nicht so aus, als würde es bald zu einem solchen Kurswechsel kommen. So lange muss aus Sicht der Experten des Ifab das Land das Geld anders verteilen. Unter anderem lohne es sich für Landwirte oft nicht, Förderung zu beantragen. Ein Beispiel: Schafzüchter müssen die Fläche ihrer Wiesen genau berechnen, bevor sie Geld für Landschaftsschutz bekommen. Aber die Weiden sind selten so rechteckig wie der typische Acker. „Wenn ich das genau ausrechnen wollte, müsste ich einen Agraringenieur beauftragten“, erklärt Schafzüchter Alfons Gimber. Dessen Honorar fresse die Fördergelder wieder auf. Außerdem fordern die Verbände, Landwirten die Beantragung von Geld zu erleichtern. Bislang komme die Förderung auch nicht in der Fläche an. So unterstütze das Land zwar das Anlegen von Blühflächen, die Insekten Heimat bieten. Doch nur auf 1,5 Prozent der infrage kommenden Äcker werde das angewandt. Und, so BUNDChefin Dahlbender: „Die Verbraucher müssen mehr Geld ausgeben für hochwertige Lebensmittel, damit das Engagement der Landwirte für Artenvielfalt auch belohnt wird.“
Welche Kritik gibt es daran?
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Der Landesbauernverband (LBV) teilt zwar die Anliegen der StudienAutoren. Ihr Experte für Agrarförderung Horst Wenks war auch eingebunden. Doch der LBV hält einige Forderungen für falsch. Zum einen seien Landwirte auf die Direktzahlungen für ihre Flächen angewiesen. Wenn dieses Geld nun an noch mehr Auflagen geknüpft werde, führe das zu Problemen für die Bauern. „Wenn man diese Auflagen erfüllen will, heißt das mehr Arbeit und mehr Kosten. Doch diese werden durch die Fördergelder nicht ausgeglichen, es drohen Einnahmeverluste“, moniert Wenk. Außerdem wehrt sich der LBV gegen Forderungen der Verbände, feste Ziele für den Anteil der Bioanbaufläche und zur Reduktion von Pflanzenschutzmitteln festzulegen. Bioprodukte müssten auch gekauft werden, sonst blieben Landwirte auf diesen sitzen. Und ohne gezielt eingesetzte Pestizide sei der Anbau vieler Kulturen nicht möglich.