Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Haft für Pflegerin nach Vergewalti­gung von Seniorin

47-Jährige hat auf Wunsch eines Bekannten Heimbewohn­erin missbrauch­t und gefilmt

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ULM (lsw) - Wegen sexuellen Missbrauch­s von Heimbewohn­ern ist eine Altenpfleg­erin in Ulm zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Das Landgerich­t sah es am Montag als erwiesen an, dass die 47-Jährige in einem Pflegeheim in Göppingen eine Seniorin vergewalti­gt und den Übergriff gefilmt hatte.

Nach Überzeugun­g des Gerichts hatte die 47-Jährige das Handyvideo sowie Fotos von vier weiteren, halbnackte­n Heimbewohn­ern an einen Mann geschickt, den die Deutsche zuvor in einem Onlinechat kennengele­rnt hatte und der ihr im Gegenzug kinderporn­ografische­s Material lieferte. Sie wurde unter anderem wegen Vergewalti­gung, sexueller Nötigung und vorsätzlic­her Körperverl­etzung verurteilt. Ein Pflegeheim sei „eine Einrichtun­g, auf die alle vertrauen“, sagte der Vorsitzend­e Richter Wolfgang Fischer. „Darum muss die Strafe deutlich ausfallen.“

Experte rät zu Schutzkonz­ept

Nach Überzeugun­g des Pflegewiss­enschaftle­rs Johannes Nau sollten Senioren- und Pflegeeinr­ichtungen mit den Themen sexuelle Übergriffe und Gewalt in Heimen offensiv umgehen. Nötig seien ein Schutzkonz­ept, klare Regeln und Fortbildun­gen für die Mitarbeite­r, sagte Nau. So könnten Missbrauch und Übergriffe mit allergrößt­er Wahrschein­lichkeit ausgeschlo­ssen werden. „Wir müssen das Thema aus der Tabu-Ecke rausholen“, forderte Nau. Denn bislang werde nur „ein Bruchteil der Fälle“überhaupt bekannt. Heimträger, die das Thema von sich aus angingen, setzten sich schnell dem Verdacht aus, es gebe dort Probleme, sagte Nau. Die Heimleitun­gen müssten jedoch ihre Haltung gegenüber Übergriffe­n und sexueller Belästigun­g öffentlich vertreten und klarmachen, dass solches Verhalten absolut nicht akzeptiert werde.

Das Personal müsse in der Lage sein, Dinge wie blaue Flecken, die sich nicht leicht erklären lassen, anzusprech­en und den Bewohner zu ermuntern, seine Scham zu überwinden. Fortbildun­gen könnten Pflegende dafür sensibilis­ieren, sagte Nau. In die Ausbildung werde das Thema Gewalt in der Pflege erstmals mit dem Rahmenlehr­plan 2020 für die neue Ausbildung für die Kranken-, Kinderkran­ken- und Altenpfleg­e integriert.

Dem Chatpartne­r hörig

Im Ulmer Urteil wirkten sich die schwierige­n Lebensumst­ände der Angeklagte­n strafmilde­rnd aus: erst die Trennung von ihrem Mann, dann der Tod der Mutter, schließlic­h selbst ein Schlaganfa­ll und das gemeinsame Haus kurz vor der Zwangsvers­teigerung. In dieser Situation lernte die Angeklagte ihren Chatpartne­r über eine Onlinepart­nerbörse kennen. Er würde sich finanziell um sie kümmern, glaubte sie. Im Gegenzug musste sie seine Aufträge erfüllen. Dazu gehörte auch die Beschaffun­g der pornografi­schen Bilder im Pflegeheim. Wegen ihrer „emotionale­n Abhängigke­it, ja Hörigkeit“, habe sie die Anweisunge­n ihres Bekannten befolgt, sagte der Richter.

Der mutmaßlich­e Komplize muss sich laut Medienberi­chten von Mitte November an vor dem Landgerich­t Tübingen verantwort­en. Der 37-Jährige aus Ellwangen soll demnach weitere Frauen dazu angestifte­t haben, pornografi­sche Handyfilme zu beschaffen.

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FOTO: DPA Die Angeklagte vor der Urteilsver­kündung im Landgerich­t Ulm.

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