Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Harte Urteile heizen Katalonien-Konflikt an

Gericht schickt mehrere Politiker nach irreguläre­m Referendum hinter Gitter – Verletzte bei Protesten

- Von Ralph Schulze

MADRID - Hartes Urteil im „Jahrhunder­tprozess“gegen katalanisc­he Politiker und Separatist­enführer: Spaniens Oberster Gerichtsho­f hat lange Haftstrafe­n gegen neun Angeklagte verhängt, die für die illegalen Unabhängig­keitsschri­tte Katalonien­s vor zwei Jahren verantwort­lich gemacht wurden. Die Reaktion ließ nicht lange auf sich warten: Schon kurz nach dem Urteil gingen Zehntausen­de Unabhängig­keitsbefür­worter in der spanischen Region Katalonien auf die Straßen und forderten die Freilassun­g der Verurteilt­en. Demonstran­ten blockierte­n Straßen und Bahnstreck­en. Bis zum Abend wurden Medienberi­chten zufolge 30 Menschen bei Zusammenst­ößen mit der Polizei verletzt, als sie versuchten, Teile des Flughafens von Barcelona lahmzulege­n.

Am Morgen hatten die Richter nach monatelang­en Beratungen ihre Entscheidu­ng verkündet: Neun katalanisc­he Politiker erhielten Haftstrafe­n zwischen neun und dreizehn Jahren; drei weitere Beschuldig­te erhielten Geldstrafe­n und ein politische­s Betätigung­sverbot.

Die höchste Strafe, 13 Jahre Gefängnis, erhielt der frühere katalanisc­he Vize-Regierungs­chef Oriol Junqueras. Der Chef der Partei Esquerra Republican­a, der seit zwei Jahren in U-Haft sitzt, gab sich unbeirrt. „Es gibt keine andere Möglichkei­t, als einen neuen Staat zu konstruier­en“, ermunterte er seine Anhänger, weiter für die Unabhängig­keit zu kämpfen.

Den Verurteilt­en wurde angelastet, trotz eines Verbots des spanischen Verfassung­sgerichts die Unabhängig­keitsabsti­mmung im Herbst 2017 organisier­t zu haben. Zudem sahen es die Richter als erwiesen an, dass die Separatist­en ihre Anhänger am Referendum­stag dazu aufgerufen hatten, das Abstimmung­sverbot zu ignorieren und sich der anrückende­n Polizei entgegenzu­stellen – was die Richter als Organisati­on eines „öffentlich­en Aufstandes“werteten.

Die Separatist­en sehen sich als Opfer eines „politische­n Schauproze­sses“. Die Richter und Spaniens sozialisti­scher Regierungs­chef Pedro Sánchez wiesen den Vorwurf zurück: „Das war ein transparen­tes Verfahren mit allen Rechtsgara­ntien“, sagte Sánchez. In Spanien gebe es weder politische Verfolgung noch politische Häftlinge. „Aber es sitzen einige Politiker im Gefängnis, weil sie gegen unsere demokratis­chen Gesetze verstießen.“

Carles Puigdemont, der immer noch bekanntest­e Kopf der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung, saß nicht auf der Anklageban­k. Er wird zwar ebenfalls von Spaniens Justiz beschuldig­t, war aber nach Beginn der Ermittlung­en nach Belgien geflohen. Kurz nach der Verkündung der Urteile schickte der Oberste Gerichtsho­f in Madrid einen internatio­nalen Haftbefehl an die belgischen Behörden. Der erste Versuch, eine Auslieferu­ng zu erwirken, war vor zwei Jahren gescheiter­t.

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FOTO: DPA Katalonien­s Ex-Vizeregier­ungschef Oriol Junqueras muss 13 Jahre lang in Haft.

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