Eltern vergießen Tränen im Stuttgarter Raser-Prozess
STUTTGART (dpa) - Nacht für Nacht verfolgt den Mann aus Kaarst das Geräusch. „Seit dem Tag des Unfalls schellt es jede Nacht“, sagt der 55-Jährige, der gebeugt vor der Richterin im Stuttgarter Landgericht sitzt. Und immer wieder wird er erinnert an den Moment im vergangenen März, in dem die Polizei an seiner Haustür klingelte und ihm die furchtbare Nachricht überbrachte.
Sein Sohn war am späten Abend bei einem schweren Unfall in Stuttgart ums Leben gekommen, auch die Freundin des 25-Jährigen starb in den Trümmern des Kleinwagens. Ein 20-Jähriger aus Stuttgart muss sich wegen des Crashs seit mehreren Wochen vor dem Landgericht wegen Mordes verantworten, die Eltern sind Nebenkläger. Der junge Mann war deutlich zu schnell gefahren, er hatte nach eigener Aussage die Kontrolle über seinen gemieteten Sportwagen verloren und mit dem Auto einen Kleinwagen gerammt. Es ist die erste Mordanklage nach einem Raser-Unfall in Baden-Württemberg.
Nein, relevant für Urteil oder Motiv sind die sehr emotionalen Aussagen der Eltern vor Gericht nicht. „Aber bislang ist im Prozess immer nur von dem angeklagten Fahrer die Rede gewesen. Mit ihren Aussagen können die beiden ihren Kindern ein Gesicht geben“, sagt Anwalt Christof Müller-Holtz, der die Eltern des Getöteten vertritt. Es sei in diesen Fällen wichtig, auch betroffene Verwandte zu Wort kommen zu lassen.
Die Mutter der 22-jährigen Toten bleibt lange stark, während sie von ihrer Tochter erzählt. „Eine sehr fröhliche, sehr aufgeweckte junge Frau“sei sie gewesen, sportlich und reiselustig. „Sie war immer motiviert und wollte viel erreichen.“Dann bricht es aus der ganz in Schwarz gekleideten Frau heraus: „Ich vermisse sie schrecklich. Ich vermisse ihr Lachen und ihr Reden“, schluchzt die Mutter aus Erkrath (NordrheinWestfalen). Auch Richterin Cornelie Eßlinger-Graf muss zum Taschentuch greifen. Bittere Tränen am Ende auch auf der Anklagebank, dort, wo der 20-Jährige bislang starr seinen Blick nach unten gerichtet hatte.
Noch ist unklar, ob sich die Kammer am Ende des Prozesses Mitte November zu einem Mordurteil wird durchringen können, oder ob sie den jungen Mann der fahrlässigen Tötung beschuldigen wird. Seine Fahrt mit dem gemieteten Jaguar F-Type Coupé durch Stuttgart und über die Autobahn hat der 20-Jährige ebenso eingeräumt wie die nachgewiesene Raserei.