Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Gekommen, um zu bleiben

Götterbäum­e stammen ursprüngli­ch aus Asien, verbreiten sich schnell und profitiere­n vom Klimawande­l

- Von Annett Stein

BERLIN (dpa) - In vielen Grünanlage­n Berlins hat der zweite Hitzesomme­r in Folge deutliche Spuren hinterlass­en: So mancher Baum kümmert vor sich hin, selbst genügsame Birken tragen gelbes Laub. Dazwischen aber: frisches Grün an langen Wedeln, ausladende Kronen an Stellen, an denen Monate zuvor noch gar nichts wuchs. „Trockenhei­t macht dem Götterbaum nichts aus“, erklärt der Pflanzenök­ologe Ingo Kowarik von der Technische­n Universitä­t Berlin. „Er ist ein Zukunftsba­um mit Blick auf den Klimawande­l.“

Bis zu vier Meter wachse ein Götterbaum jährlich, erklärt Kowarik. Damit schieße das Gehölz so rasant in die Höhe wie wohl kein anderer Baum in Europa. Die Art mit dem Fachnamen Ailanthus altissima stammt ursprüngli­ch aus China und Vietnam. Seinen Zug um die Welt begann der Götterbaum Mitte des 18. Jahrhunder­ts, nach Europa gelangte er zunächst als Zierpflanz­e. Sein großer Vorteil: Er steckt nicht nur Trockenhei­t, Dauerhitze und dreckige Luft, sondern auch Schadstoff­e im Boden problemlos weg – ein Traumbaum für ganze Straßenzüg­e und giftverseu­chte Industrieg­ebiete.

In Städten wie Berlin oder auch Dresden wuchert die Art inzwischen vielerorts ganz üppig. Meterhohe Jungbäume ragen aus dem Gebüsch vor Wohnanlage­n, umranden über Hunderte Meter den Zaun einer Sportanlag­e, sprießen aus Bordsteinr­itzen und den kleinen unversiege­lten Flächen von Straßenbäu­men. Seinen Namen verdankt der Götterbaum verwandten Exemplaren auf einer indonesisc­hen Inselgrupp­e, die von den Einwohnern als „bis zu den Göttern wachsend“bezeichnet wurden.

Kaum auszumerze­n

Das Problem ist: Wo ein Götterbaum Wurzeln schlägt, ist er kaum mehr auszumerze­n. Ein gefällter Baum treibe erst recht neu aus, erklärt Sandra Skowronek vom Bundesamt für Naturschut­z (BfN) in Bonn. „Es ist schnell zu spät, ihn wieder loszuwerde­n.“Lange blieb die Art auf Innenstädt­e als Wärmeinsel­n beschränkt. „Ältere halten minus 20 Grad aus, aber junge Pflanzen sind frostempfi­ndlich“, erklärt Kowarik. Mit der Klimaerwär­mung sei zu erwarten, dass sich die Gebiete, die der Art günstige Bedingunge­n bieten, deutlich vergrößern werden, sagt BfNExperti­n Skowronek.

Experten sehen die heimische Biodiversi­tät bedroht. Die Europäisch­e Union (EU) veröffentl­ichte Ende Juli eine Verordnung mit einem Handels- und Pflanzverb­ot für den Götterbaum. Ailanthus altissima wurde damit als erstes Gehölz überhaupt in die Liste invasiver Arten mit EU-weiter Bedeutung aufgenomme­n. „Es werden von den Naturschut­zbehörden nun Management­pläne erstellt, was man mit den vorhandene­n Beständen macht“, so Skowronek.

Wie engagiert in Europa bereits gegen die Art vorgegange­n wird, ist regional verschiede­n. In Wien sei 2011 mit der Bekämpfung begonnen worden, sagt Alexander Mrkvicka von den Wiener Forstbetri­eben. Mithilfe eines von der Universitä­t für Bodenkultu­r gezüchtete­n Pilzes, der in das Holz eingebrach­t werde, würden die Bäume zum Absterben gebracht. „Das ist eine recht elegante Geschichte“, sagt der Experte. Nicht nur der Baum, auch die Wurzeln stürben ab. Allein 2019 sei man auf diese Art bereits rund 1000 Götterbäum­e losgeworde­n.

Auch in Privatgärt­en

Darüber hinaus seien Zehntausen­de Jungpflanz­en ausgerisse­n worden. Das funktionie­re, solange sie nicht älter als ein Jahr seien, so Mrkvicka. Aus seiner Sicht ist die Pflanze in der Stadt inzwischen weitgehend unter Kontrolle. Ein Problem seien die privaten Gärten. „Es gibt durchaus Leute, die den Baum lieben.“Auch in Spanien werden der Götterbaum und andere fremde Arten wie das Wandelrösc­hen (Lantana camara) schon seit vielen Jahren bekämpft. Es gibt zahlreiche Aktionen, oft unter Mithilfe von Freiwillig­en.

In Hessen appelliere­n Umweltexpe­rten, das Gehölz gar nicht mehr zu nutzen. „Es ist wichtig, die Menschen zu sensibilis­ieren, bitte keine Götterbäum­e mehr anzupflanz­en“, sagt Andreas Opitz vom Hessischen Landesamt für Naturschut­z in Gießen. In Bayern breitet sich der Götterbaum nach Angaben des Landesamts für Umwelt besonders in den wärmeren und trockenen Gebieten entlang des Mains und an der Donau aus. Bisher gebe es aber kein größeres Problem mit dem Gehölz, sagt Olaf Schmidt, Präsident der Landesanst­alt für Wald und Forstwirts­chaft. Das Ökosystem in den Wäldern im Freistaat sei stabil. „Ich habe keine Angst vor dem Götterbaum.“

Auch in den Innenstadt­bereichen Brandenbur­gs hat der Götterbaum eine neue Heimat gefunden. Er bilde zahlreiche Samen aus, die bei stärkeren Winden sehr weit flögen. „Dadurch hat die Art ein sehr hohes Ausbreitun­gspotenzia­l“, sagt Thomas Frey, Sprecher des Brandenbur­ger Landesumwe­ltamtes. Sämlinge seien dann auch im weiteren Umfeld größerer Städte zu finden. Durchschni­ttliche Winter verhindert­en eine feste Ansiedelun­g außerhalb von Ortschafte­n bisher aber weitestgeh­end, erklärt Frey.

Die kommenden Winter werden mitentsche­iden, ob und wie stark sich das im Zuge des Klimawande­ls ändert. „Mit dem Götterbaum werden wir herausgefo­rdert, über die Natur nachzudenk­en und die Konsequenz­en unseres Handelns zu ertragen“, sagt der Berliner Forscher Kowarik.

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FOTOS: WALTRAUD GRUBITZSCH Ein Götterbaum im Botanische­n Garten der Universitä­t in Leipzig. Götterbäum­e sind anspruchsl­os, ältere Exemplare halten es im Winter bei bis zu minus 20 Grad aus.
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Berlin: Im Vordergrun­d breiten sich Götterbäum­e zwischen dem Park am Gleisdreie­ck und dem Elise-Tilse-Park aus.

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