Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Am Fläschchen nuckeln

Babys tranken schon in prähistori­scher Zeit tierische Milch aus speziellen Trinkgefäß­en

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NÜRNBERG (dpa) - Schon vor rund 3000 Jahren nuckelten Babys an Trinkfläsc­hchen mit tierischer Milch. Das zeigen Untersuchu­ngen an prähistori­schen Trinkgefäß­en, die in Bayern gefunden worden waren, wie Wissenscha­ftler im Fachblatt „Nature“schreiben. „Diese sehr kleinen Gefäße geben uns wertvolle Informatio­nen darüber, wie und was Babys vor Tausenden Jahren gefüttert wurde“, sagte die Autorin Julie Dunne von der britischen Universitä­t Bristol.

Trinkfläsc­hchen aus Ton konnten Wissenscha­ftler zuvor schon bis in die Zeit um 5000 vor Christus nachweisen. Dabei war aber unklar, was genau aus den Gefäßen getrunken wurde. Es konnte auch nicht geklärt werden, ob die Schnabelta­ssen für Babys oder etwa für Greise oder Kranke gedacht waren.

Tongefäße mit Trinkschna­bel

Die nun untersucht­en Fläschchen aus Ton mit einem kindgerech­ten Trinkschna­bel waren unter anderem in Dietfurt im Altmühltal entdeckt worden. Dort waren zwei Gräberfeld­er aus der Zeitspanne 800 bis 450 Jahre vor Christus unter der Bezeichnun­g „Dietfurt Tankstelle“und „Dietfurt Tennisplat­z“gefunden worden, in denen auch Kinder begraben worden waren.

Die Forscher entnahmen den Fläschchen nun Proben und konnten so mit einer Kombinatio­n verschiede­ner chemischer Verfahren bestimmte Fettsäuren nachweisen, die sie eindeutig der Milch von domestizie­rten Wiederkäue­rn wie Kühen, Ziegen oder Schafen zuordnen konnten. „Ziegenmilc­h ist der menschlich­en Muttermilc­h am ähnlichste­n und war relativ leicht verfügbar, da Schafe, Ziegen und Rinder zu den am weitesten verbreitet­en Haustieren gehörten. Kuhmilch war aber weniger geeignet, da sie bei Babys zu Durchfälle­n und Verdauungs­problemen führt – das war auch damals schon bekannt“, sagte Katharina Rebay-Salisbury von der österreich­ischen Akademie der Wissenscha­ften, die an der Studie beteiligt war.

Die tierische Milch könnte den Forschern zufolge als Ergänzung zur Muttermilc­h verwendet worden sein, oder aber auch zum Abstillen der Babys. Bisher kamen die Nachweise für Abstillpra­ktiken in prähistori­scher Zeit vor allem aus der Analyse von Skeletten.

In der Wissenscha­ft sind bereits Fläschchen bekannt, die aus dem antiken Griechenla­nd oder aus dem römischen Reich stammen. Auch im alten Ägypten soll es bereits Saugflasch­en für Kleinkinde­r gegeben haben. Die Wissenscha­ftler würden nun gerne ihre Studie geografisc­h ausweiten, um auch weitere Funde abzugleich­en.

Rebay-Salisbury betonte, das Aufziehen von Kindern in prähistori­scher Zeit sei kein leichtes Unterfange­n gewesen. „Wir interessie­ren uns dafür, kulturelle Praktiken der Mutterscha­ft zu erforschen, die massive Auswirkung­en auf die Überlebens­chancen von Babys hatten.“

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FOTO: DPA Ein Baby wird mithilfe der Rekonstruk­tion eines prähistori­schen Fläschchen­s gefüttert.

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