Der zynische Präsident
Das Kapitel könnte Eingang in ein Lehrbuch über DesasterStrategien finden. Der Mann, der von sich behauptet, sein Bauchgefühl sei besser als alles, was den Hirnen sogenannter Experten entspringe, hat aus dem Bauch heraus ein Chaos provoziert. Ohne die Folgen zu bedenken, ohne das eigene Parlament einzubeziehen, ohne sich mit den europäischen Verbündeten zu beraten, hat er grünes Licht für die Invasion Ankaras im Norden Syriens gegeben. Und nun, da klar wird, was für eine Büchse der Pandora er öffnete, bemüht er sich um Schadensbegrenzung. Nur dass wie so oft eine breite Kluft klafft zwischen Furcht einflößender Rhetorik und praktischen Schritten, die kaum mehr als ein Feigenblatt sind.
Droht Donald Trump der Türkei mit der Zerstörung ihrer Wirtschaft, falls sie nicht innehält, dann ist das ein Standardsatz aus dem Repertoire seiner bellizistischen Sprache. Verhängt er Sanktionen gegen drei türkische Minister, dann ist es die mildeste Variante des Denkbaren. Es lässt nur einen Schluss zu: Der Präsident der USA hat es gerade nicht darauf abgesehen, Recep Tayyip Erdogan in die Parade zu fahren, jedenfalls nicht mit einer Entschlossenheit, die den Einmarsch rasch stoppen würde.
Er hält Syrien mit seinen Bürgerkriegsruinen für ein Land, in dem sich nichts verdienen lässt und in dem die USA daher auch nichts verloren haben. Die im Stich gelassenen Kurden lässt er in einem zynischen Tweet wissen, ihm sei egal, wer sie verteidige, ob Russland, China oder Napoleon Bonaparte: „Wir sind siebentausend Meilen weit weg.“Trump denkt in den Kategorien von Einflusssphären, wie es bis zum Ende des Kalten Krieges die Außenpolitik prägte, aber nicht mehr recht passt zu den Realitäten der heutigen Welt.
Syrien ist in seinen Augen Teil der russischen Sphäre, abschnittsweise auch der türkischen. Die Europäer mögen sehen, wo sie bleiben. Dass auf sie vielleicht neue Flüchtlingsströme zukommen: Wen interessiert das schon im Weißen Haus? Wozu ist der Atlantik gut, wenn nicht dazu, Amerika vor den Wirren auf der anderen Seite des Ozeans zu schützen?