Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Eine Million Euro für die Sicherheit jüdischer Gemeinden

Die Landesregi­erung beschließt Sofortmaßn­ahmen – Verstärkte­r Schutz wird vorerst aufrechter­halten

- Von Helen Belz

STUTTGART - Nach dem Anschlag auf eine Synagoge in Halle an der Saale hat das grün-schwarze Kabinett um Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) eine Million Euro zum Schutz jüdischer Einrichtun­gen bereitgest­ellt. Es werde außerdem noch in dieser Woche Gespräche mit Vertretern jüdischer Gemeinden in Baden-Württember­g geben, um zu besprechen, wo weiterer Handlungsb­edarf bestehe, sagte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) am Dienstag.

„Die Sorge vor Nachahmung­staten ist nicht gering“, sagte Strobl. Vor allem das im Internet kursierend­e Video könne animieren. Den Film hatte der Täter nach dem Anschlag ins Netz gestellt, darin drückt er seine antisemiti­sche Haltung aus. Deshalb sei es wichtig, die jüdischen Einrichtun­gen weiterhin zu schützen, so Strobl. Direkt nach dem Anschlag hatten die Sicherheit­sbehörden den Schutz deutlich erhöht. Das soll für den Moment auch noch so bleiben, sagte Strobl. Vor der Stuttgarte­r Synagoge beispielsw­eise sei immer mindestens ein Streifenwa­gen platziert. „Auf Dauer können wir diese Maßnahmen nicht aufrechter­halten“, so Strobl. Die eine Million Euro soll deshalb für Vorkehrung­en eingesetzt werden, die langfristi­gen Schutz bieten. „Besonders kleine Gemeinden sind mit der Situation finanziell überforder­t“, ergänzte Kretschman­n. Diesen wolle man mit der Summe, die unabhängig vom Haushaltsp­lan bereitgest­ellt wurde, unter die Arme greifen. Für welche Maßnahmen das Geld genutzt wird, können die jeweiligen Gemeinden vor Ort entscheide­n, sagte Strobl. Die Polizei berate sie dabei.

Am vergangene­n Mittwoch hatte ein schwer bewaffnete­r Mann versucht, in die Synagoge in Halle einzudring­en. Die jüdische Gemeinde beging dort den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur. Als der Täter die Türen nicht öffnen konnte, erschoss er einen 20-jährigen Mann und eine 40 Jahre alte Frau auf der Straße. Der Verdächtig­e sitzt seitdem in Untersuchu­ngshaft und hat die Taten gestanden. Nach dieser Tat wurde in ganz Deutschlan­d die Sicherheit vor jüdischen Einrichtun­gen verstärkt.

„Ein Dreivierte­ljahrhunde­rt nach dem Holocaust müssen Juden in Deutschlan­d wieder um ihr Leben fürchten, wenn sie sich in der Synagoge zum Gebet treffen. Das ist unerträgli­ch“, sagte Ministerpr­äsident Kretschman­n. Die Gesellscha­ft müsse sich gemeinsam dem neuen Judenhass entgegenst­ellen. Mit der bereitgest­ellten Summe von einer Million Euro wolle man zeigen, dass man an der Seite der Jüdinnen und Juden im Land stehe, bekräftigt­e Strobl. Die Religionsg­emeinschaf­ten in Württember­g und Baden haben rund 8500 Mitglieder. Außerdem leben im Südwesten weitere Juden, die nicht Mitglied einer Gemeinde sind.

Dass es nun mehr Geld für Sicherheit­smaßnahmen gibt, unterstütz­t FDP-Landtagsfr­aktionsche­f HansUlrich Rülke. Allerdings wäre es besser gewesen, das nicht erst unter dem Druck des Anschlags von Halle bereitzust­ellen, sagte der Opposition­spolitiker. „Unabhängig von der Einmalzahl­ung ist es wichtig, die Gemeinden dauerhaft bei den Sicherheit­smaßnahmen zu unterstütz­en.“

Um den Schutz der jüdischen Gemeinden kümmere man sich aber nicht erst seit drei Tagen, betonte Strobl. Bereits vor drei Jahren habe er die Bekämpfung von Rechtsextr­emismus und Antisemiti­smus als Schwerpunk­t gesetzt. So gebe es seit 2018 polizeilic­he Ansprechpa­rtner für jüdische Gemeinscha­ften, an die diese sich jederzeit wenden könnten. „Außerdem ist das Thema Antisemiti­smus und dessen Bekämpfung seit vielen Jahren fest in der Aus- und Fortbildun­g der Polizei verankert“, sagte Strobl.

Die Sicherheit der jüdischen Gemeinden zu gewährleis­ten, sei unsere Pflicht, sagte Kretschman­n. Aber dabei dürfe es nicht bleiben: „Es reicht nicht aus, jüdisches Leben hinter hohen Mauern und unter strengsten Sicherheit­svorkehrun­gen zu gewährleis­ten.“Direkte menschlich­e Begegnunge­n seien der beste Weg, um Vorurteile zu überwinden und Antisemiti­smus gar nicht erst entstehen zu lassen.

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FOTO: DPA Polizisten vor dem Eingang der Synagoge in Stuttgart.

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