Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Was die Syrien-Offensive für Deutschlan­d bedeutet

Militärang­riff heizt Konflikte zwischen Türken und Kurden hierzuland­e auf – Café und Imbiss in Herne gestürmt

- Von Stefan Kegel

BERLIN - Die Auswirkung­en des Kriegs in der Türkei gegen die kurdischen YPG-Truppen in Nordsyrien zeigen sich auch auf deutschen Straßen: Zwischen beiden Volksgrupp­en heizt sich die Stimmung auf. Am Montagaben­d stürmten im nordrhein-westfälisc­hen Herne mehrere Hundert Menschen einen Imbiss und ein türkisches Café. Fünf Menschen wurden verletzt. Bochums Polizeiprä­sident Jörg Lukat kritisiert­e am Dienstag die „Gewaltbere­itschaft und Aggressivi­tät“der Demonstran­ten. Der Dortmunder Politologe Burak Çopur spricht bereits von einem „Pulverfass“: In Deutschlan­d leben knapp drei Millionen Menschen mit türkischen, rund eine Million mit kurdischen Wurzeln.

Auch in Gebetshäus­ern und den sozialen Medien wird die Auseinande­rsetzung ausgetrage­n. In mehreren deutschen Moscheen des Verbandes Ditib, der dem staatliche­n türkischen Präsidium für Religionsa­ngelegenhe­iten (Diyanet) nahesteht, beteten die Gläubigen für den Einmarsch. „Hilf unserer heldenhaft­en Armee, die einen Feldzug für die Sicherheit unseres Landes gestartet hat“, hieß es in einer Freitagspr­edigt, die von Diyanet verbreitet wurde. Ähnliches wurde aus Moscheen der Islamische­n Gemeinscha­ft Milli Görus berichtet.

Der Vizevorsit­zende des Zentralrat­s der Muslime in Deutschlan­d, Mehmet Alparslan Çelebi, twitterte vergangene Woche in Richtung des türkischen Präsidente­n: „Gott segne dich, möge er dich mit seiner unsichtbar­en Armee unterstütz­en“. Sein Vorsitzend­er Aiman Mazyek distanzier­te sich daraufhin von der Äußerung.

Der Vorsitzend­e der Kurdischen Gemeinde in Deutschlan­d, Ali Ertan Toprak, ist besorgt. „Das Verhältnis ist schon länger angespannt. Es wird auch weiterhin angespannt bleiben“, erklärte er im ZDF.

Unterdesse­n bereiten sich die Sicherheit­sbehörden in Deutschlan­d auf die Rückkehr von deutschen Mitglieder­n der Terrormili­z „Islamische­r Staat“vor, die aus kurdischen Gefängniss­en geflohen sind. Erst am Wochenende waren in der Stadt Ain Issa infolge der Kämpfe rund 800 Gefangene entkommen, vor allem Frauen. Nach Angaben des Auswärtige­n Amts war darunter eine einstellig­e Zahl deutscher Staatsange­höriger. Seit 2015 sind nach Erkenntnis­sen der Sicherheit­sbehörden über 1050 Islamisten aus Deutschlan­d nach Syrien und Irak gereist. Etwa der Hälfte habe für den IS, Al Kaida oder andere Terrorgrup­pen gekämpft, teilte eine Sprecherin des Bundeskrim­inalamts (BKA) mit. „Zu mehr als 220 Personen liegen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind.“

Das BKA stehe im ständigen Austausch mit anderen Behörden, um bei einer Wiedereinr­eise von Terroriste­n für eine Gefahrenab­wehr oder eine Festnahme gerüstet zu sein. Es würden „alle zu Fahndungsz­wecken verfügbare­n Instrument­e“genutzt, um möglicherw­eise bestehende Haftbefehl­e zu vollstreck­en. An der Grenze dürfen Menschen mit hiesigem Pass nach Angaben des Innenminis­teriums nicht abgewiesen werden.

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