Was die Syrien-Offensive für Deutschland bedeutet
Militärangriff heizt Konflikte zwischen Türken und Kurden hierzulande auf – Café und Imbiss in Herne gestürmt
BERLIN - Die Auswirkungen des Kriegs in der Türkei gegen die kurdischen YPG-Truppen in Nordsyrien zeigen sich auch auf deutschen Straßen: Zwischen beiden Volksgruppen heizt sich die Stimmung auf. Am Montagabend stürmten im nordrhein-westfälischen Herne mehrere Hundert Menschen einen Imbiss und ein türkisches Café. Fünf Menschen wurden verletzt. Bochums Polizeipräsident Jörg Lukat kritisierte am Dienstag die „Gewaltbereitschaft und Aggressivität“der Demonstranten. Der Dortmunder Politologe Burak Çopur spricht bereits von einem „Pulverfass“: In Deutschland leben knapp drei Millionen Menschen mit türkischen, rund eine Million mit kurdischen Wurzeln.
Auch in Gebetshäusern und den sozialen Medien wird die Auseinandersetzung ausgetragen. In mehreren deutschen Moscheen des Verbandes Ditib, der dem staatlichen türkischen Präsidium für Religionsangelegenheiten (Diyanet) nahesteht, beteten die Gläubigen für den Einmarsch. „Hilf unserer heldenhaften Armee, die einen Feldzug für die Sicherheit unseres Landes gestartet hat“, hieß es in einer Freitagspredigt, die von Diyanet verbreitet wurde. Ähnliches wurde aus Moscheen der Islamischen Gemeinschaft Milli Görus berichtet.
Der Vizevorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Mehmet Alparslan Çelebi, twitterte vergangene Woche in Richtung des türkischen Präsidenten: „Gott segne dich, möge er dich mit seiner unsichtbaren Armee unterstützen“. Sein Vorsitzender Aiman Mazyek distanzierte sich daraufhin von der Äußerung.
Der Vorsitzende der Kurdischen Gemeinde in Deutschland, Ali Ertan Toprak, ist besorgt. „Das Verhältnis ist schon länger angespannt. Es wird auch weiterhin angespannt bleiben“, erklärte er im ZDF.
Unterdessen bereiten sich die Sicherheitsbehörden in Deutschland auf die Rückkehr von deutschen Mitgliedern der Terrormiliz „Islamischer Staat“vor, die aus kurdischen Gefängnissen geflohen sind. Erst am Wochenende waren in der Stadt Ain Issa infolge der Kämpfe rund 800 Gefangene entkommen, vor allem Frauen. Nach Angaben des Auswärtigen Amts war darunter eine einstellige Zahl deutscher Staatsangehöriger. Seit 2015 sind nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden über 1050 Islamisten aus Deutschland nach Syrien und Irak gereist. Etwa der Hälfte habe für den IS, Al Kaida oder andere Terrorgruppen gekämpft, teilte eine Sprecherin des Bundeskriminalamts (BKA) mit. „Zu mehr als 220 Personen liegen Hinweise vor, dass diese in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen sind.“
Das BKA stehe im ständigen Austausch mit anderen Behörden, um bei einer Wiedereinreise von Terroristen für eine Gefahrenabwehr oder eine Festnahme gerüstet zu sein. Es würden „alle zu Fahndungszwecken verfügbaren Instrumente“genutzt, um möglicherweise bestehende Haftbefehle zu vollstrecken. An der Grenze dürfen Menschen mit hiesigem Pass nach Angaben des Innenministeriums nicht abgewiesen werden.