Zwischen Zuversicht und Umweltängsten
Neue Shell-Jugendstudie zeigt eine Generation, die sich mehr einbringen will
BERLIN - Jugendliche wollen mitreden und mitentscheiden. Das ist eines der Ergebnisse der Shell-Jugendstudie 2019, die in Berlin vorgestellt wurde. „Eine Generation artikuliert ihre Interesse“, sagt Professor Albert, Leiter der Shell-Studie. Die Mehrheit der Jugendlichen sei pragmatisch, tolerant und blicke zuversichtlich in die Zukunft. Sorgen bereitet den Jugendlichen allerdings die Umweltverschmutzung. „Umweltängste haben insbesondere bei höher gebildeten stark an Bedeutung gewonnen“, so die Studie, die 15- bis 25-jährige befragte.
Auf die Frage, was ihnen Angst mache, nannten 71 Prozent die Umweltverschmutzung, 65 Prozent den Klimawandel und immerhin 56 Prozent die wachsende Feindschaft zwischen den Menschen. Die Angst vor der Ausländerfeindlichkeit rangiert damit weit vor der Angst vor Zuwanderung, die nur 33 Prozent haben.
Die Unterschiede zwischen westund ostdeutschen Jugendlichen nehmen eher ab als zu, die größten Unterschiede macht die soziale Herkunft. Während die Mehrheit meint, es gehe gerecht zu, fühlen sich Jugendliche aus ärmeren Verhältnissen benachteiligt.
Kein Vertrauen in Politiker
Demokratie ist gut, Politiker sind es nicht, ist vereinfacht gesagt, ein weiteres Ergebnis. Für Familienministerin Franziska Giffey (SPD) ist es eine gute Nachricht, dass junge Menschen der Demokratie vertrauen, 77 Prozent sind demnach zufrieden mit der Demokratie. „Aber es gibt einen Befund, der wachrütteln muss“, so Ministerin Giffey. 71 Prozent der Jugendlichen meinen, dass sich die Politik nicht für sie interessiere. „Das ist der Auftrag, den uns die Studie gibt.“Giffey sieht sich in ihrem Wunsch bestätigt, das Wahlalter auf 16 zu senken, denn Jugendliche einzubeziehen sei das beste, was man tun könne.
Wachrütteln muss auch die Anfälligkeit für Populismus. 49 Prozent finden Parolen richtig wie „In Deutschland darf man nichts Schlechtes über Ausländer sagen ohne gleich als Rassist beschimpft zu werden.“Über die Hälfte ist überzeugt, dass die Regierung die Wahrheit verschweigt und 51 Prozent denken, dass der Staat sich mehr um Flüchtlinge als um hilfsbedürftige Deutsche kümmert. Gleichzeitig aber halten es 57 Prozent für richtig, dass Deutschland viele Flüchtlinge aufgenommen hat und über 60 Prozent sind überzeugte Europäer.
In vollen Zügen genießen
Für Albert steht deshalb fest, dass „die Politikverdrossenheit eine Politikerverdrossenheit ist“, und die Jugendlichen „adressierbar“sind. Giffey meint, dass es wichtig sei, jene mitzunehmen, die nicht auf der Sonnenseite stehen. „Wir arbeiten dafür, dass es jedes Kind packt“, auch jene, die zu Hause keine Gutenacht-Geschichten vorgelesen bekommen.
Familie am wichtigsten
Die Jugendlichen wollen ihr Leben in vollen Zügen genießen, auch das ergab die Studie. Für die meisten heißt das aber nicht viel Geld und viel Freizeit, sondern es bedeutet, dass sie sich eine Familie wünschen. Gute Freunde, eine vertrauensvolle Partnerschaft und ein gutes Familienleben sind die wichtigsten Werte. Dagegen verlieren ein hoher Lebensstandard und die Durchsetzung eigener Bedürfnisse vergleichsweise stark an Bedeutung.
Der Mann als Versorger
Eine handfeste Überraschung gab es bei der neuen Frage: „Stelle dir vor, du wärst 30 Jahre und hast ein zweijähriges Kind. Wie viele Stunden möchtest Du arbeiten und wie viele Stunden soll Dein Partner arbeiten?“Hier zeigte sich ein traditionelles Rollenmuster. Die Männer wünschen sich eine Vollzeitstelle oder 30 Stunden-Woche, die Frauen zu 43 Prozent eine Teilzeitstelle mit 20 Stunden und 25 Prozent wollen gar nicht oder bis zu 10 Stunden arbeiten. Das entspricht auch den Wünschen ihrer Partner. Frauen wünschen sich ein männliches Versorgermodell, 70 Prozent der Männer eine Frau, die bis zu 20 Stunden arbeitet. Unterschied gibt es hier zwischen Ost und West, bei den Männern im Osten sind es nur rund 50 Prozent.
Forscher überrascht
Diese Entwicklung hinterlässt die Forscher etwas ratlos. Co-Autor Professor Klaus Hurrelmann meint, Frauen punkteten mit immer besserer Bildung, insofern sei es „um so überraschender, dass sich das nicht in der Planung auswirkt“. Er ist überzeugt, dass das angesichts der Energie, mit der Frauen vorgehen, nicht so bleiben wird. Ulrich Schneekloth, der Leiter des Forschungsbereichs Familie, sieht dagegen eher den Ausdruck davon, dass Frauen mehr Verantwortung für die Kinder übernehmen und auch übernehmen wollen, vielleicht weil sie es ihren Männern nicht zutrauen. Familienministerin Franziska Giffey denkt, es könne auch an den Erziehungsvorbildern der Eltern liegen, die in West und Ost unterschiedlich seien.
Allerdings kommt der Wunsch nach dem Alleinverdiener-Modell auch für Giffey überraschend. „Wir versuchen die Rahmenbedingungen für eine partnerschaftliche Aufteilung zu schaffen.“Gute Betreuungsmöglichkeiten seien dabei wichtig. Für Albert ist es keine Re-Traditionalisierung des Familienbildes, sondern eine Differenzierung