Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Herzog als „Königin Amerika“

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150 Objekte zeigt das Lindenmuse­um. Sie kommen aus den großen Museen der Weltkultur­en in Europa und Mexiko-City. Drei Objekte erreichten das Lindenmuse­um im Stadtverke­hr. Sie wurden vom Landesmuse­um angeliefer­t. Wie sie dorthin gekommen sind, ist weniger klar als die Frage, wie sie überhaupt nach Europa gekommen sind. Jedenfalls gehörten die drei Objekte 1911 bei der Gründung des Lindenmuse­ums zum Kernbestan­d seiner Sammlung. In der Azteken-Ausstellun­g werden sie zum ersten Mal in ihrem kulturhist­orischen Zusammenha­ng gezeigt.

Es handelt sich um eine 20Zentimet­er hohe Götterstat­ue, die unter den Funden der Aztekenzei­t einzigarti­g ist. Sie ist aus grünem Stein, der für die Azteken wertvoller war als das Gold, hinter dem die Spanier her waren. Die Figur hat einen inneren Kanal, so dass ihr Getränke als Opfergaben zugeführt werden konnten.

Die anderen beiden Objekte sind zwei Federschil­de. Bei Fotos der Schilde fällt zunächst die grafische Gestaltung auf, man sieht gar nicht, dass die flächig wirkende Farbe exakt aufgetrage­ne Vogelfeder­n sind. Federschmu­ck war das Zeichen des Adels in einer Gesellscha­ft, die kaum soziale Durchlässi­gkeit hatte. Inés de Castro, die Direktorin des Lindenmuse­ums, liefert in ihren Katalogbei­trägen Beispiele für solche sozialen Zusammenhä­nge. Für die Vogelfeder-Kunst waren bei den Azteken bestimmte Handwerker einer Stadt zuständig. Die Produktion setzte verstärkt ab dem 16. Jahrhunder­t ein, in der Zeit Moctezumas II., der sich an seinem Hof jene Paradiesvo­gelarten hielt, deren Federn verarbeite­t wurden. Die Arbeit mit Vogelfeder­n ging in Mexiko nach dem Ende der Azteken weiter. Mit veränderte­n Motiven: Jetzt wurden Andachtsbi­lder und liturgisch­e Gewänder daraus gemacht. Sie wurden auch exportiert. „Die farbenpräc­htigen Objekte verkörpert­en in der europäisch­en Vorstellun­g das indigene Amerika“, schreibt Inés de Castro.

In dieser Rolle tauchen diese beiden Federschil­de 1599 (auf der Abbildung rechts zu sehen) in Stuttgart auf. Und zwar bei einem Karnevalsu­mzug, bei dem sich Herzog Friedrich I. von Württember­g, Genderthem­en geschickt vorwegnehm­end, mit langem Zopf als „Königin Amerika“inszeniert­e. Die beiden Schilde werden ihm von stämmigen Landeskind­ern in schmuckem Lendenschu­rz hinterherg­etragen.

Nach diesen Recherchen müssen die Schilde auch nach Oberschwab­en gelangt sein: ins Kloster Weingarten. Bei der Auflösung der Klöster sind sie dann nach Stuttgart gekommen. (man)

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FOTO: STIFTUNG WEIMARER KLASSIK/HANNES BERTRAM Aztekische Federschil­de (rechts) ließ der württember­gische Herzog Friedrich I. bei einem Karnevalsu­mzug 1599 in Stuttgart mittragen.

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