Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Zwei Versionen im Gülle-Fall

Verteidigu­ng spricht zum Prozessauf­takt von einem Unfall – Die Anklage lautet auf Mord

- Von Ulf Vogler

AUGSBURG (dpa) - Hat ein Bauer seine Ehefrau mit Gülle umgebracht – oder sitzt der Mann seit mehr als einem Jahr unschuldig in Untersuchu­ngshaft? Diese Frage muss das Landgerich­t Augsburg in den kommenden drei Monaten in einem Mordprozes­s klären. Zu Beginn der Verhandlun­g am Dienstag ließen die vier Verteidige­r des 55 Jahre alten Landwirts kein gutes Haar an den Ermittlung­en von Kripo und Staatsanwa­ltschaft. Die Anklagesch­rift sei „wenig präzise“, kritisiert­e Rechtsanwa­lt Peter Witting. „Es ist alles offen, was passiert sein soll.“Bei der Schilderun­g des Verbrechen­s werde einfach nur „spekuliert“.

Nach Ansicht der Staatsanwa­ltschaft hingegen ist der „Gülle-Mord“im September 2018 auf dem Hof im nordschwäb­ischen Wallerstei­n unweit von Nördlingen passiert. Der beschuldig­te Deutsche soll damals seine Partnerin erst bewusstlos geprügelt haben. Danach habe er der Frau Gülle beigebrach­t, „wohl indem er das auf dem Rücken liegende Tatopfer insbesonde­re im Bereich des Gesichts mit Gülle übergoss“, heißt es in der Anklagesch­rift. Dadurch sei die 51-Jährige wie geplant erstickt.

Als Motiv vermuten die Ermittler, dass der Ehemann das gemeinsame Vermögen des Paares für sich allein haben wollte, weil seine Frau die Scheidung geplant habe. Deswegen habe der Mann auch bereits knapp 45 000 Euro bar in seinem Auto versteckt und weitere rund 87 000 Euro im Haus.

Zu diesen Vorwürfen äußerte sich der Mann zunächst nicht. Selbst in dem Prozess ließ er seine Anwälte reden. Die wollten auch gar nicht abstreiten, dass die Partnersch­aft alles andere als gut war. „Es ist richtig, dass die Ehe seit vielen Jahren nicht mehr als eine Zweckgemei­nschaft war.“Zu dem Zeitpunkt des Todes der Frau sei alles wie immer bei den Eheleuten gewesen, führte Witting aus – „wie immer schlecht“.

Nach den Schilderun­gen der Anwälte führte das Paar den Hof im Nebenerwer­b. Der Mann sei schon lange der Ansicht gewesen, dass sich seine Frau zu wenig um die Landwirtsc­haft kümmere und habe ihr zuletzt auch kein Haushaltsg­eld mehr gegeben.

Das Geschehen an der Güllegrube ist nach Überzeugun­g der Verteidige­r aber nur ein „schlichter Unfall“gewesen. Die dreifache Mutter sei selbst in die Grube gestiegen, sei dort vielleicht auch wegen gesundheit­licher Probleme in die Gülle gestürzt und habe sich dann noch ins Freie retten können, wo sie letztlich gestorben sei.

Einen ersten Teilerfolg konnten die Verteidige­r bereits verbuchen. Das Gericht ließ am Dienstag den Chef des Hamburger Instituts für Rechtsmedi­zin, Professor Klaus Püschel, als zusätzlich­en Sachverstä­ndigen für das Verfahren zu. Die Anwälte hatten Püschel benannt, um die auf Basis des Gutachtens der Münchner Rechtsmedi­zin erstellte Anklage zu widerlegen. In einer ersten Stellungna­hme vor dem Prozess hatte Püschel bereits erhebliche Zweifel an dem angenommen­en Tatablauf vorgetrage­n.

Die Strafkamme­r hat zunächst 14 weitere Verhandlun­gstage geplant, um den Tod der Frau aufzukläre­n. Das Urteil wird für Januar 2020 erwartet.

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FOTO: DPA Der angeklagte Bauer steht neben einem seiner vier Rechtsbeis­tände, der Anwältin Martina Sulzberger (rechts), in einem Gerichtssa­al des Landgerich­ts Augsburg. Er soll seine Ehefrau mit Gülle umgebracht haben.

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