Elfenbein soll wieder Teil der Blaubeurer Geschichte werden
Familie Scheer übergibt der Stadt ihre Sammlung von geschnitzten Objekten und kommt so dem Herzenswunsch des Vaters nach
BLAUBEUREN (cs) - Wer hätte gedacht, dass in Blaubeuren Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Elfenbeinschnitzer lebten? Die Nachkommen des Holz- und Elfenbeinschnitzers Jean Dreher haben der Stadt nun den kompletten Elfenbeinschatz der Familie vermacht – unter der Bedingung, dass die Objekte ausgestellt und die Blaubeurer Elfenbeinschnitzerei und ihre Protagonisten in den historischen Zusammenhang eingeordnet werden.
Der 1854 geborene Jean Dreher lernte das Schnitzhandwerk in Geislingen, wo es seit hunderten Jahren Tradition hatte. Er heiratete die Berghülerin Anna Dick und ließ sich in Blaubeuren nieder, wo er 1878 in der Metzgergasse sein Geschäft einrichtete. Wenige Jahre später eröffnete er ein weiteres Geschäft in Bad Gastein, wo er in den Sommermonaten den Kurgästen beinerne Gebrauchsgegenstände wie Geldbörsen, Schachteln und Handschuhspanner oder filigran gearbeitete Schmuckstücke verkaufte.
Jean Dreher bildete die beiden anderen Blaubeurer Elfenbeinschnitzer aus und nahm ihre Produkte für sein Geschäft in Bad Gastein in Kommission. Am 28. Mai 1917 starb er nach einem Sturz vom Fahrrad.
Drehers Nachfahren fühlen sich der Stadt am Blautopf noch immer verbunden, obwohl sie hier schon längst nicht mehr wohnen. Ulrich Scheer, seine Frau Marie-Christine Dabauvalle und sein Cousin Tobias Scheer haben auf dem Tisch im Jägerzimmer des Blaubeurer Heimatmuseums einige Elfenbeinfigürchen und Gebrauchsgegenstände wie eine Bürste oder einen Schuhlöffel ausgebreitet. Ulrich Scheer erklärt: „Diese Schnitzereien und Objekte stammen von unserem Urgroßvater Jean Dreher und wurden in unserer Familie über drei Generationen erhalten.“
Der größte Teil der Objekte befindet sich noch gut verpackt in drei großen Kartons. Viele Jahre lang waren die Elfenbeinobjekte in Vitrinen bei mehreren Zweigen der Familie Scheer ausgestellt. Schon als Kinder lernten Ulrich und Tobias Scheer: „Anschauen darf man sie, aber keinesfalls anfassen.“
Gesammelt und daheim ausgestellt haben den Elfenbeinschatz die Brüder Georg und Hansjörg Scheer, die Väter von Ulrich und Tobias. Seinem Vater Hansjörg sei es weniger um den Wert der Objekte gegangen, ihm sei vielmehr die Verbindung zu den familiären Wurzeln in Blaubeuren wichtig gewesen. Sein Vater habe ihn oftmals auf die Alb zum Klettern oder Wandern mitgenommen. Auch Ulrich Scheer hat eine besondere Beziehung zu Blaubeuren. 1943 kam er mit seiner Mutter hierher. Später stieß sein Vater Georg dazu und hielt die Familie über Wasser, indem er Spielzeug herstellte.
Wegen dieser Verbindungen an den Blautopf möchte die Familie Scheer die Elfenbeinsammlung an ihren Ursprungsort zurückgeben. Das sei auch im Sinne der inzwischen verstorbenen Georg und Hansjörg Scheer sagt Ulrich Scheer. Tobias Scheer ergänzt: „Es war meinem Vater ein Herzenswunsch und ich bin froh, dass wir ihn erfüllen können.“
Es sei besser, dass die Elfenbeinobjekte an ihrem Ursprungsort der Öffentlichkeit zugänglich sein werden, anstatt in privaten Vitrinen Staub anzusetzen. Das sei Konsens auch unter der nächsten Generation, wie Ulrich Scheers Frau MarieChristine Dabauvalle sagt: „Unsere Kinder freuen sich, dass das Elfenbein jetzt in Blaubeuren ist.“
Der Blaubeurer Bürgermeister Jörg Seibold bedankt sich und sagt: „Ich finde es toll, dass Sie das tun. Die Stadt Blaubeuren weiß zu schätzen, welche Schätze Sie da übergeben.“Die Objekte sollen im Heimatmuseum einen eigenen Raum bekommen. „Es wird sozusagen ein „Jean Dreher-Zimmer“eingerichtet“, sagt Stefanie Dispan, Vorsitzende des Blaubeurer Tourismusvereins. Derzeit laufe der Antrag auf Förderung bei der Landesstelle für Museumsbetreuung. Erst muss dieser Antrag durch sein, dann kann der Umbau beginnen. Badhaus-Kustus Stephan Buck kümmert sich um die genaue Ausgestaltung. Dispan sagt, sie hoffe, die Elfenbeinausstellung zur Badhauseröffnung nach der Winterpause im April ebenfalls eröffnen zu können.
Ulrich Scheer hat noch ein weiteres Geschenk aus dem Nachlass des Vaters dabei: den Reißzahn eines Höhlenbären, den Georg Scheer einst im Hohle Fels bei Schelklingen gefunden hat. Den bekommt das Urgeschichtliche Museum Blaubeuren und darf ihn ausstellen.