Drei Minuten, die unter die Haut gehen
Die Stadt Ulm hat einen Imagefilm der anderen Art gedreht – Er läuft bald im Kino
● ULM/NEU-ULM - Ein blonder Mann läuft mit strammen Schritt einen Gang entlang. Die Handkamera folgt seinem blonden Hinterkopf. Am Hals sind martialisch wirkende Tätowierungen zu sehen. Eine Nonne, die seinen Weg kreuzt zuckt ängstlich zusammen. Dann bricht der Mann in Tränen aus, als er mit einem bärtigen Mann spricht, der Arzt zu sein scheint: Sein Kind liegt am Tropf und ist wohl sehr krank. Der vermeintlich so brutale Mann wird ganz schwach. Und ganz menschlich. Das Ganze wird untermalt vom nachdenklichen Song „Bright Side“des US-Sängers Johnny Stimson. Schnitt. Ulms Oberbürgermeister Gunter Czisch radelt bei bestem Sommerwetter in Richtung Karlsplatz. Schnitt. Das Stadtoberhaupt sitzt am Schachbrett und spielt mit einem jungen Mann. Beide lachen herzlich. Der OB verliert offenbar. Schnitt.
Sein Gegner ist im Vergleich zum OB Profi: Paul Greulich gehört zum Ensemble des Heyoka-Theaters und hat das Downsyndrom.
Das Thema der 190-Sekunden wird ganz am Ende eingeblendet: „Weil Menschlichkeit verbindet.“Der Film von Hosam Sidou Abdulkader, dem Chef der Ulmer Filmproduktionsfirma Cinematicz, schafft das Kunststück, in drei Minuten und zehn Sekunden in Kinooptik mehrere Kurzgeschichten aneinander zu reihen: Neben dem Mann mit seinem kranken Kind und dem schachspielenden OB hat noch ein Basketballer eine Hauptrolle. Ein zuerst grimmig dreinschauender und muskulöser Dwayne Evans prallt mit einer älteren Dame zusammen, die erst einen Schreck bekommt. Und dann lachen beide herzhaft. Die Zuschauer sollen bewusst mit Stereotypen konfrontiert werden, die sich dann in Menschlichkeit auflösen, sagte Elis Schmeer, die Leiterin der Koordinierungsstelle Internationale Stadt bei der Premiere des Films am Dienstag im Ulmer Kino Mephisto. Zu sehen sein soll der Film künftig in allen Ulmer Kinos zwischen den Werbefilmen sowie auf dem Internetkanal Youtube.
Menschlichkeit n der Hauptrolle
Wann genau der Film veröffentlicht wird, konnte Hosam Sidou Abdulkader am Dienstag noch nicht genau sagen. Doch der Applaus scheint ihm sicher. „Der Film ist klasse geworden“, kommentierte etwa Czisch. „Es ist immer einfacher darzustellen, was die Menschen trennt, als was sie verbindet.“Deswegen sei der Film wertvoll, weil er dem wichtigsten Bindeglied eine Hauptrolle gebe: der Menschlichkeit. Die ganze Gesellschaft könne sich in einem Film wiederfinden, der eine Botschaft auf künstlerisch ansprechende Weise serviert – angereichert mit Sportszenen der Ulmer Basketballer, Spatzen-Kicker sowie der turnenden Ulmer Olympionikin Janine Berger.
Entstanden ist die Idee zum Film rund um die Arbeit von Frank Riethdorf. Der städtische Koordinator für kommunale Entwicklungspolitik leitet das Projekt „Vielfalt leben in Ulm in der einen Welt“. Seine kostenlosen Workshops, Vorträge und Theaterstücke sollen Kinder und Jugendliche zum Abbau von Vorurteilen befähigen und sie animieren, gegen Diskriminierung einzutreten.
Auch Ulms Schwesterstadt NeuUlm hat kürzlich einen Imagefilm veröffentlicht: „Hier lässt es sich gut leben, arbeiten und genießen“, sagt eine Stimme nach neun Minuten Neu-Ulm von den schönsten Seiten. Zu vergleichen ist das Werbefilmchen mit der neuen Ulmer Schöpfung freilich nicht: Die Neu-Ulmer Variante ist klassisches Standortmarketing, während sich der Ulmer Film an hier bereits lebende Menschen mit einer Botschaft richtet, die letztlich das Zusammenleben verbessern soll. Einen Werbefilm für den Standort Ulm gibt’s freilich auch. Der ist knapp drei Minuten lang, ein Jahr alt und eher konservativ: „Wir sind fleißig und verstehen es auch ganz wunderbar zu leben“, heißt es darin.