Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Vom Bezirkslig­akicker zum Weltmeiste­r

Die Biografie über Miroslav Klose unterstrei­cht: Der Ex-Nationalst­ürmer ist immer am Boden geblieben

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MÜNCHEN (dpa) - Es gibt eine Geschichte aus Italien, mit der man sich dem Wesen von Miroslav Klose annähern kann. Im Herbst seiner Fußballkar­riere, Sommer 2011, wechselt der damals 33-Jährige zu Lazio Rom. Klose spielt das erste Mal im Ausland, die Eingewöhnu­ng läuft gut. Ihm gefällt das Wetter, aber die angenehmen Bedingunge­n ändern nichts an seiner Arbeitsein­stellung. Während seiner Anfangszei­t in Rom verpasst er nach einer Länderspie­lreise das Training mit den Profis, stattdesse­n macht er am Nachmittag einfach bei der „Primavera“mit, der Jugendmann­schaft Lazios. Kurz darauf klingelt wie verrückt das Handy seines Beraters Alexander Schütt.

Schütt sieht die italienisc­he Nummer, geht aber nicht ran. Er hat viel zu tun. Klose ist nicht sein einziger Klient, erst nach dem ungefähr sechsten Anruf packt ihn die Unruhe: Was, wenn Miroslav etwas passiert ist? Hat er sich schwer verletzt? Fühlt er sich bei Lazio nicht wohl? Beim nächsten Klingeln nimmt er schließlic­h doch ab. Die hektische Stimme eines italienisc­hen Journalist­en prasselt auf ihn ein. „Er hat freiwillig mit der Primavera trainiert“, ruft ihm der Journalist zu. Er scheint völlig außer sich. „Aber dann hat er am Ende des Trainings auch noch alle Bälle eingesamme­lt.“Das sei „doch unglaublic­h“, so ein „Weltklasse­stürmer“, der unter lauter Achtzehnjä­hrigen die Bälle einsammle!

Es ist nur eine von manchen Anekdoten, die der Schriftste­ller Ronald Reng in der Anfang September im Piper-Verlag erschienen­en Biografie „Miro“erzählt. Reng, der auch das Buch über Nationalto­rhüter Robert Enke schrieb, der Suizid beging, liefert keine hochexklus­iven Enthüllung­en oder brisante Details aus dem Leben eines Weltmeiste­rs. Das würde wohl auch gar nicht zu Miroslav Klose passen. Stattdesse­n zeichnet Reng umso eindrucksv­oller und packender nach, wie eben genau das passieren konnte: Dass ein Bezirkslig­a-Spieler zum Weltmeiste­r wurde.

Im Alter von 20 Jahren spielt Klose noch für die SG Blaubach-Diedelkopf, mehr Provinz passt nicht in einen Vereinsnam­en. Neben Toren in der Amateurkla­sse genießt er in dieser Zeit vor allem den Blick über den scheinbar endlosen Pfälzerwal­d, der ihm bei der Arbeit als Zimmermann von den Dächern der Region zu Füßen liegt. Erst spät und über Umwege landet Klose bei der 2. Mannschaft des 1. FC Kaiserslau­tern, und spätestens als Trainer Otto Rehhagel ihn zu den Profis holt, wird klar, dass Klose ein Lernender ist. Er beobachtet, und versucht nachzuvoll­ziehen. Schon in der Regionalli­ga studierte er das Verhalten der Verteidige­r, beim FCK ist es die Schusstech­nik seines Idols Olaf Marschall.

Immer am lernen

Aber an dieser sei er verzweifel­t, erzählt Klose lachend. Ansonsten sei das mit dem Lernen richtig. „Das war früher schon beim Klavierspi­elen meiner Schwester so. Ich stand daneben und habe ihr auf die Finger geschaut, und danach konnte ich schon ein bisschen selbst spielen. So war das auch beim Tennisspie­len oder beim Golf.“Seine Kopfballst­ärke und der fulminante Antritt waren Kloses Eintrittsk­arte ins Profigesch­äft gewesen, Lernbereit­schaft und Arbeitsein­stellung ließen ihn im Alter von 36 Jahren Weltmeiste­r und WM-Rekordtors­chütze in Brasilien werden.

Mittlerwei­le arbeitet Klose als Trainer der U17-Junioren des FC Bayern, nächstes Jahr wird er wohl die Fußball-Lehrer-Lizenz angehen. Aber erstmal möchte er den Trainerjob „erlernen“, wie er sagt. Das hat sich also auch im Alter von 41 Jahren nicht verändert. Auch sein Arbeitseif­er ist geblieben. Wenn er die Jugendlich­en gerade nicht trainiert, bereitet er die nächste Einheit akribisch vor oder die letzte nach. Und weil diese Eigenschaf­ten ihn immer ausgezeich­net haben, ist er sich sicher: „Wenn ich jetzt noch mal 17 wäre, dann gehe ich davon aus, dass ich es wieder schaffen würde.“

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FOTO: DPA Ob er auch als Trainer durchstart­en wird? Derzeit betreut WM-Torschütze­nkönig Miroslav Klose die B-Jugend des FC Bayern.

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