Der Urlaub und die Angst
Reisebranche registriert wegen des Coronavirus Verunsicherung bei Kunden – Anbieter im Südwesten weitgehend gelassen
GFRANKFURT/RAVENSBURG - Die Reisebranche in Deutschland stellt sich auf unsichere Zeiten wegen des Ausbruchs des Coronavirus ein. Zumindest registrieren die Reiseveranstalter eine Zurückhaltung, was Urlaubsbuchungen zu Beginn des Jahres angeht. „Wir sehen uns einem herausfordernden Jahr gegenüber“, sagte Norbert Fiebig, Präsident des Reisewirtschaftsverbandes DRV am Donnerstag in Frankfurt. „Wir stellen eine zunehmende Verunsicherung bei Kunden fest.“Zu spüren sei die Buchungszurückhaltung insbesondere bei Reisen nach Asien. Bei Buchungen für Sommerurlaube insgesamt verzeichnet die Reisewirtschaft zu Jahresbeginn ein Minus von etwa drei Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Wie stark sich die Corona-Epidemie tatsächlich auswirken wird, sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht abzuschätzen. Die Branche hofft aber darauf, dass die Epidemie rasch eingegrenzt werden kann – und Buchungen dann nachgeholt werden. Auch könnte dann das Last-MinuteGeschäft stärker ausfallen und mögliche Flauten bei den Frühbuchungen wieder ausgleichen. Denn grundsätzlich seien die Deutschen in Urlaubslaune. Im vergangenen Reisejahr gaben die Deutschen laut DRV für ihren Urlaub insgesamt 98,1 Milliarden Euro aus. Das waren 3,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor.
„Ich persönlich rechne nicht mit einer katastrophalen Entwicklung, so dass keiner mehr in den Urlaub fährt“, sagte Fiebig. Er sei zuversichtlich, dass die Branche ein ordentliches Jahr hinlegen werde. „Je länger aber diese Krise anhält und je länger das nicht verlässlich gelöst ist, desto stärker wird natürlich auch die Reisebranche betroffen sein.“Und das gelte nicht nur für Urlaubs- sondern auch Geschäftsreisen.
Neben Asien dürften auch andere Reiseziele bei möglichen Urlaubern aktuell eher Sorgen als Buchungen hervorrufen. In Norditalien klagen Hoteliers über schwere Einbußen. In der Region war in der Stadt Codogno der erste Patient Italiens positiv auf das Coronavirus getestet worden. Mehrere Gemeinden in der Provinz Lodi rund 60 Kilometer von Mailand entfernt wurden isoliert, die Straßen Codognos gleichen einer Geisterstadt. Doch auch die Wirtschaftsmetropole Mailand selbst ist betroffen.
Für die dortige Tourismusbranche kommt erschwerend hinzu, dass mehrere Länder mittlerweile vor Reisen in das Land warnen. Das USAußenministerium etwa fordert Amerikaner auf, bei Reisen nach Italien Vorsicht walten zu lassen. Russland empfiehlt seinen Reiseagenturen kurzerhand, das südeuropäische Land zu meiden. Einige Fluggesellschaften haben schon Verbindungen nach Mailand eingestellt.
Und wie reagieren Reiseanbieter aus Baden-Württemberg? Rund drei Stunden von Mailand entfernt, in der Provinz Padua, ist der Busreisenanbieter Ehrmann aus Bad Wurzach im Landkreis Ravensburg derzeit mit einer Reisegruppe unterwegs. „Wir sind im Kontakt mit dem Busfahrer und laut ihm ist alles ok“, sagt Ralf Hofmeister, Marketingleiter von Ehrmann auf Nachfrage der „Schwäbischen Zeitung“. Unter den Teilnehmern habe es keine Stornierungen gegeben. „Wir haben allerdings eine Mailand-Reise aus unserem Programm abgesagt, die für Mai geplant war“, sagt Hofmeister. „25 Personen waren bereits für die Reise vorgemerkt, aber wir haben zu viele Absagen bekommen, weil die Leute durch die aktuellen Ereignisse verunsichert sind.“
Eine Sprecherin der Center Parcs Group gibt Entwarnung. Im Center Parcs Allgäu hätten keine Besucher ihre Reise wegen des Cornonavirus abgesagt. In allen Parks gebe es grundsätzlich einen Maßnahmenkatalog für jegliche Art von Virenausbreitung.
Kreuzfahrtreisenanbieter Holdenried aus Heimenkirch im Landkreis Lindau registriert derweil Kunden, die beunruhigt anrufen. Geschäftsführer Günther Holdenried sagt: „Es gibt einige wenige Kunden, die fragen, ob es gefährlich ist, jetzt eine Kreuzfahrt zu machen.“Holdenried verneint das. Natürlich sei Vorsicht immer geboten, „Sauberkeit, Händewaschen, Hygiene einhalten“, das sei immer Voraussetzung, aber es gebe keinen Grund zur Aufregung. „Wenn eine Kreuzfahrt zu gefährlich wäre, dann wird sie von der Reederei abgesagt. Dann kann man kostenlos zurücktreten, aber das ist nicht der Fall“. Keine Kreuzfahrt habe der Anbieter bisher stornieren müssen. Die Gäste müssten, wie bereits seit langer Zeit üblich, einen Fragebogen ausfüllen ob sie beispielsweise Fieber oder Husten haben bevor sie an Bord gehen, aber sonst spiele sich das Leben auf den Kreuzfahrtschiffen ganz normal ab.