Gemeinsam arbeiten, gemeinsam wohnen
Kommerzielle Anbieter organisieren Wohngemeinschaften für Erwachsene
SGie teilen sich Wohnzimmer, Küche und Bad – und manchmal auch ihr Privatleben: In Wohngemeinschaften leben Menschen gemeinsam in Wohnungen oder Häusern, ohne unbedingt enger miteinander bekannt oder gar verwandt zu sein. Das gilt längst nicht mehr nur für Studenten: Menschen, die im Berufsleben stehen, manchmal sogar Familien, finden vermehrt Angebote für das sogenannte Shared Living oder Co-Living („geteiltes Leben“).
„Gerade in Großstädten gibt es wieder eine Rückbesinnung zu Strukturen, die wir von der klassischen Großfamilie kennen“, sagt Trendforscher Tristan Horx vom Zukunftsinstitut. Die Idee, gemeinsam unter einem Dach zu wohnen, ist ja nicht neu.
Jahrhundertelang lebten in Großfamilien mehrere Generationen auf einem Hof oder in einem Gebäude. Neu bei der modernen WG ist, dass nun vermehrt kommerzielle Anbieter das Konzept übernommen haben – und auch Fremde aus für diese Lebensform untypischen Altersklassen und Zielgruppen zusammenbringen.
„Das Unternehmen Medici Living vermittelte ursprünglich nur WGZimmer, inzwischen gründet es selber WGs“, nennt Daniel Fuhrhop vom Forschungsprojekt OptiWohn an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg ein Beispiel. „So muss man sich nicht mehr selbst Mitbewohner suchen, sondern wird über ein Matching in eine passende Wohngemeinschaft gelotst.“
So mancher Anbieter wie Rent 24 hat sich aus der Idee des Co-Workings entwickelt, „bei dem man sich mit anderen Arbeitsplätze oder ein Büro für eine bestimmte Zeit teilt“, erklärt Fuhrhop weiter. So richten sich die neuen Shared-Living-Angebote vor allem an ein jüngeres Publikum wie Young Professionals – Großstadtbewohner, die häufig ihren Wohn- und Arbeitsort wechseln. Entsprechend fließend sind beim
Shared Living oftmals die Übergänge vom gemeinsamen Arbeiten hin zum gemeinsamen Leben.
Viele Anbieter organisieren beispielsweise Aktivitäten wie Partys und Filmabende im hauseigenen Kino. Auch ein Reinigungsservice ist oftmals inklusive. „Alles, was in einer klassischen WG für Stress und Streit sorgen kann, wird einem abgenommen“, sagt Fuhrhop.
Bequemlichkeit und Modernität zeigt sich auch in der baulichen Konzeption. Bundesweit gibt es inzwischen einige architektonische Projekte wie etwa „I live“, bei denen die Bedürfnisse der Bewohner ganz bewusst bei der Planung mitbedacht werden. „Neben den privaten Rückzugsräumen bieten sie soziale Räume wie ein Fitnessstudio, eine Lounge oder eine Dachterrasse, die von allen genutzt werden kann“, sagt Trendforscher Horx. Auch die Innenausstattung der in der Regel vollmöblierten Wohngemeinschaften hat die Vorlieben der Zielgruppe im Blick. „Loungige Sofas, große Tische, ein paar Grünpflanzen und trendige Einrichtungsgegenstände sorgen für eine schicke, coole Atmosphäre – ganz anders als ein klassisches Studentenwohnheim“, zählt Fuhrhop auf.
Dieser Luxus hat durchaus seinen Preis. Co-Living-Angebote sind nach Angaben des Wohnraum-Forschers wesentlich teurer als die anderen Wohnformen. „Je nach Stadt und Angebot kostet der Quadratmeter für ein vollmöbliertes Zimmer zwischen 20 und 50 Euro. Da kann ein 12 bis 14 Quadratmeter großes Zimmer durchaus zwischen 500 und 1000 Euro kosten.“
Dass die Preise so hoch sein können, hänge auch mit dem derzeitig gültigen Mietrecht zusammen. „CoLiving-Anbieter nutzen ein Schlupfloch in der Gesetzgebung: Sie sind ein hotelähnlicher WG-Betrieb, sodass Mietbegrenzungen oder Mietpreisbremsen für sie nicht gelten“, sagt Fuhrhop.
Zudem sehen die Experten die homogene Zusammensetzung der Wohngemeinschaften kritisch. „Ein Vorteil von Co-Living ist sicherlich, dass man nicht nur eine Wohnung bekommt, sondern auch schnell Gleichgesinnte kennenlernt und neue Kontakte knüpfen kann. Doch solche Angebote beinhalten auch das Risiko, in einer sozialen Blase zu leben“, urteilt Fuhrhop.
Für ein dauerhaftes Zuhause eignen sich daher Shared-Living-Angebote, wie sie aktuell auf dem Markt sind, nur bedingt. Aber der Trendforscher betont auch: „Wohnen wird in Zukunft wesentlich differenzierter sein. Co-Living ist dabei nur eine Form unter vielen, die zu manchen Menschen in einer gewissen Lebensphase gut passt.“(dpa)