Aber bitte mit Abstand
Der VfB Stuttgart erzählt vom Leben im Schlosshotel und weiß: „Jedes Spiel ist ein Finale“
GSTUTTGART - Sehr individuell war es, als der VfB Stuttgart am Dienstagnachmittag zur Telefonkonferenz lud. Trainer Pellegrino Matarazzo immerhin schien relativ gelöst zu sein und in Gedanken schon beim Sonntag, wenn der Zweitligazweite beim Liga-16. SV Wehen Wiesbaden antritt. „Ich bin selbst gespannt, wie das ist, wenn ich erst die Maske runternehmen soll, wenn ich den Schiri anschreien muss“, sprach der 42-jährige DeutschItaliener. Auch er muss sich natürlich an die Hygienevorgaben der DFL halten, die ein wenig wie eine Kehrwoche für Fortgeschrittene klingen.
Gelassen und angenehm offen erzählte Matarazzo, wie es so zugehe derzeit im Schlosshotel Monrepos zu Ludwigsburg, wo der VfB bis Samstag in Quarantäne weilt, unterbrochen von Einzelfahrten zum Training an den Wasen. Zimmermädchen gibt es in Pandemiezeiten natürlich nicht, also bringt die VfB-Crew ihre Dinge selbst in Ordnung. „Ich mache jeden Tag mein Bett und hänge mein Handtuch immer wieder auf “, sagte der studierte Mathematiker „mit einem Schmunzeln“, wie die Deutsche Presse Agentur schrieb. Doch das wusste die dpa natürlich nicht, ob Matarazzo in diesem Moment schmunzelte.
Denn die Journalisten waren weit weg am Telefon, und das war auch nötig, denn der VfB nimmt seine einwöchige Quarantäne, an die sich vor dem Re-Start alle 36 Bundesligaclubs halten müssen, offenbar durchaus ernst. Die Einzeltische beim Frühstück seien exakt 1,50 Meter von einander entfernt, und zwar jeweils nur einer, in einer Richtung, erzählte Matarazzo, „richtig viele Gespräche kommen da nicht auf“. Und das Essen werde natürlich serviert, denn bei einem Buffet „hätte jeder die gleiche Gabel oder Löffel in der Hand“, und das gilt es zu vermeiden, des Coronavirus wegen.
Überhaupt will der Profifußball derzeit alles vermeiden, was gefährden könnte, dass er wieder seinen Beruf ausübt. Dieses Vorhaben erfülle einen durchaus mit Stolz, sagte Sportdirektor Sven Mislintat. „Ich glaube, dass es sogar das Gefühl bei fast der ganzen Mannschaft ist, dass man auch ein Zeichen setzen muss für die Gesellschaft“, erklärte der 47-Jährige. „Ich glaube, dass wir gesundheitlich und medizinisch mit die am besten versorgten Menschen sind in diesem Land. Wir werden laufend auf das Virus getestet. Doch wenn wir jetzt nicht rausgehen, wird es umso schwieriger für viele andere Menschen, die nicht dieses Privileg haben.“Auch Matarazzo berichtete von einer guten Stimmung. „Die Mannschaft strahlt eine bemerkenswerte Ruhe und Reife aus und hat große Energie. Man sieht, dass die Spieler sich freuen, wieder spielen zu können, und ich habe eine große Auswahl. Da ist viel Qualität auf dem Platz.“
Leichte Zweifel hat die VfB-Sportführung dagegen, ob die Saison zu Ende gespielt werden kann. Niemand wisse, welche Auswirkungen es habe, wenn die Fallzahlen extrem ansteigen. „Wir haben nicht alles in der Hand“, sagte Matarazzo und meinte damit auch die Entscheidungen von Gesundheitsämtern. Das gesamte Team von Liga-Rivale Dynamo Dresden etwa wurde wegen positiver Fälle in die Quarantäne geschickt und hat damit einen großen Wettbewerbsnachteil, der VfB könnte der Nächste sein.
„Umso wichtiger ist es, jedes Spiel als Finale anzugehen und diesen zweiten Platz zu halten“, sprach Matarazzo, gemeint war: Sollte die DFL die Saison doch noch abbrechen müssen, wann auch immer, greift seh wahrscheinlich das Szenario, das auch der WFV wählte. Der Punktequotient entscheidet über die Endtabelle, und wer sich dann auf den beiden Fix-Aufstiegsplätzen befindet, der steigt wohl in die Bundesliga auf. Etwas für Mathematiker, aber da hat der VfB ja den besten Mann der Liga. Auch Mislintat berichtete, er habe immerhin den Mathe-Leistungskurs im Gymnasium genossen. Fußball, das wusste schon der Ex-Stuttgarter Ottmar Hitzfeld, ist eben doch eine große Mathematik.