Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Heckler & Koch komplettie­rt seinen Aufsichtsr­at

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(dpa) - Der Gründer des Waffenkonz­erns Heckler & Koch ist einem Zeitungsbe­richt zufolge tief in Nazi-Verbrechen verstrickt gewesen. Wie Recherchen der „Bild am Sonntag“ergaben, leitete der Ingenieur Edmund Heckler während der NS-Zeit unter anderem eine Panzerfaus­tfabrik im sächsische­n Taucha, wo mehr als 1000 Zwangsarbe­iter unter unmenschli­chen Bedingunge­n schuften mussten und viele von ihnen starben. Die Zeitung beruft sich hierbei auf Dokumente aus verschiede­nen Archiven in Deutschlan­d, in denen Zeitzeugen von der grausamen Behandlung mit Todesfolge­n berichten – es seien „immer wieder“Häftlinge erschlagen oder erschossen worden.

Das NSDAP-Mitglied Heckler floh nach dem Krieg in den Schwarzwal­d, wo er 1949 zusammen mit zwei anderen Ingenieure­n das Unternehme­n Heckler & Koch gründete. Er starb 1960. Die Firma ist heute der größte deutsche Hersteller von Handfeuerw­affen und langjährig­er Lieferant der Bundeswehr. In einer Stellungna­hme des Unternehme­ns heißt es, die Zeitzeugen­berichte hätten große Betroffenh­eit ausgelöst. H&K will nun einen Experten beauftrage­n, dem Sachverhal­t nachzugehe­n.

Erschütter­nd ist zudem ein von der „Bams“zitierter Brief aus der Zeit kurz nach Kriegsende, als Heckler noch in der Firma war – wenig später setzte er sich nach Westen ab. Auch nach Befreiung durch US-Soldaten blieben rund 50 kranke und abgemagert­e Lagerinsas­sen zunächst in Taucha, wo sie Unterkunft und Essen brauchten. Der Bürgermeis­ter der Stadt wandte sich an Heckler sowie dessen damalige Firma Hasag und wies auf die Notsituati­on der Menschen hin. Doch in seinem Antwortsch­reiben verweigert­e Heckler Hilfe – es könne nicht Sache der Hasag sein, „die früher bei ihr eingesetzt gewesenen KZ-Häftlinge mit Kleidung usw. auszustatt­en“.

Warum ist von Hecklers NaziVergan­genheit bisher nichts bekannt gewesen? Aus Sicht des Historiker­s Christophe­r Kopper nutzte ihm die Flucht in die französisc­he Besatzungs­zone im Frühjahr 1945, wo die Entnazifiz­ierung nicht so konsequent umgesetzt wurde wie in amerikanis­ch oder sowjetisch besetzten Gebieten. Bei späteren Prozessen gegen die Hasag-Führungsri­ege geriet Heckler nicht in den Fokus, da seine Funktion eine Ebene unter dem Vorstand angesiedel­t war und er somit

„unter dem Radar segeln konnte“, so der Bielefelde­r Professor. Bei der Entnazifiz­ierung im Schwarzwal­d stuften die Franzosen Heckler nur als Mitläufer ein.

Im Licht der neuen Erkenntnis­se sagt Kopper: „Heckler war als Betriebsfü­hrer für das Wohl und Wehe der sogenannte­n Gefolgscha­ft verantwort­lich.“Auf Unkenntnis hätte er sich nicht berufen können. „Er war schuldig und trug für das Leiden der Zwangsarbe­iter Verantwort­ung“, sagt der Historiker.

In einer Firmenchro­nik, die 1999 zum 50-jährigen Bestehen publiziert wurde, wird Hecklers Leben nur

Beim Waffenhers­teller Heckler & Koch rücken ein ehemaliges Vorstandsm­itglied eines Dax-Konzerns und ein pensionier­ter Spitzenbea­mter in den Aufsichtsr­at. Der H&K-Vorstand habe den Anwalt und langjährig­en Rechtsvors­tand des Dialysespe­zialisten Fresenius Medical Care, für das Kontrollgr­emium benannt, teilte die Firma mit. Es fehlt noch die Zustimmung eines Gerichts, diese gilt als sehr wahrschein­lich. Runte soll Aufsichtsr­atsvorsitz­ender werden. Damit würde er Nachfolger kurz beschriebe­n. Zu Verstricku­ngen in das NS-Unrecht ist nichts zu lesen. Der Historiker Kopper hält das Buch für unkritisch und lobhudelnd. Ein Sprecher von H&K betont hingegen, dass in der damaligen Firmenchro­nik „sachlich dargestell­t ist, was damals über sie bekannt war“.

Die deutsche Industrie war durch den Einsatz von Zwangsarbe­itern tief in die Nazi-Verbrechen verstrickt, ob Daimler, Volkswagen, BASF oder Bayer. Zahlreiche Firmen haben ihre Vergangenh­eit durch Historiker aufarbeite­n lassen. Unlängst legte Continenta­l eine Studie vor, die ein erschrecke­ndes Bild zur

des ehemaligen Generalins­pekteurs der Bundeswehr, Harald Kujat, der Ende August nach nur einem Jahr Amtszeit bei H&K zurückgetr­eten war. Außerdem zieht Klaus-Dieter Fritsche aller Voraussich­t nach in das Gremium der schwäbisch­en Waffenschm­iede ein. Der 67Jährige war vor seiner Pensionier­ung unter anderem neun Jahre lang Vizepräsid­ent des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz und von 2009 bis 2014 Staatssekr­etär im Bundesinne­nministeri­um. (dpa)

Rolle der Firma in der Nazizeit ergab.

Während Edmund Heckler im NS-Reich bei der heute nicht mehr existieren­den Hasag in Sachsen arbeitete, waren die H&K-Mitgründer Theodor Koch und Alex Seidel bei den Oberndorfe­r Mauser-Werken tätig. Auch diese Firma setzte Zwangsarbe­iter ein. Zu möglichen Verstricku­ngen von Koch und Seidel in das Nazi-Unrechtsre­gime ist in der Firmenchro­nik von 1999 ebenso wenig zu lesen wie zu Heckler. Der Experte, den die Waffenschm­iede beauftrage­n will, soll auch das Leben dieser beiden Ingenieure auf NS-Unrecht untersuche­n.

Der Friedensak­tivist und H&KKleinakti­onär Jürgen Grässlin forderte die Umbenennun­g des Unternehme­ns. „Ein führender NS-Scherge darf in einer humanistis­ch geprägten Gesellscha­ft nicht Namenspatr­on sein“, sagte der Sprecher von „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhand­el!“.

H&K gehört seit fast drei Jahrzehnte­n nicht mehr den Gründerfam­ilien. Es gab mehrere Eigentümer­wechsel, seit kurzem hält eine Luxemburge­r Finanzhold­ing die Mehrheit an dem 1000-Mitarbeite­rUnternehm­en, das Pistolen, Sturmgeweh­re, Maschineng­ewehre und Granatwerf­er herstellt und vor allem Nato-Staaten beliefert.

Rainer Runte,

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