Deutschland probt den Notfall
Beim ersten landesweiten Warntag heulen am Donnerstag die Sirenen – Test für Naturgefahren und Waffengewalt
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RAVENSBURG - Sirenen, Lautsprecherwagen, Warnungen in Radio und Fernsehen: Am Donnerstag um 11 Uhr wird es vielerorts laut in Deutschland. Zum ersten bundesweiten Warntag sollen nämlich zahlreiche Alarme ausgelöst werden. Ein Test für den Ernstfall sei durchaus nötig, meint das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn. Sein Präsident Christoph Unger sagt: „Wir glauben, dass es ungemütlicher werden wird.“Stichwort Klimawandel. „Es gibt konkrete Erfahrungen, wie beispielsweise die Jahrhundertflut 2002 an der Elbe, die unzählbaren Starkregenereignisse der letzten Jahre.“Sogar Erdbeben seien denkbar, etwa in der Kölner Bucht.
Worum geht es am Warntag?
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Nach einem Beschluss der Innenministerkonferenz findet ab 2020 jährlich am zweiten Donnerstag im September der bundesweite Warntag statt. Das Bund-LänderProjekt soll die Bevölkerung für das Thema Warnung sensibilisieren und auf die verfügbaren Warnmittel aufmerksam machen. Auch sollen die bundesweit einheitlichen Sirenensignale bekannter werden.
„Es hat sich gezeigt, dass Menschen in Krisensituationen vor allem auf Bekanntes und bereits Erlerntes zurückgreifen“, sagt Christoph Unger, Präsident des BBK. Deshalb sei es sinnvoll, so etwas einzuüben. Außerdem gebe es eine zunehmende Zahl von Naturkatastrophen, zum Beispiel die Hitzewellen von 2018 und 2019, Terroranschläge wie in Halle oder Hanau oder aktuell die Corona-Pandemie. Diese Ereignisse hätten gezeigt, dass ein Warnsystem wichtig sei.
Wer verbreitet die Warnungen?
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Um elf Uhr sollen alle sogenannten Warnmultiplikatoren eine Probewarnung erhalten und verbreiten. Als Warnmultiplikatoren gelten unter anderem Behörden, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und ein Großteil der privaten Medienhäuser. Parallel zu den Multiplikatoren werden auf Länderebene, in Landkreisen und Kommunen verfügbare kommunale Warnmittel ausgelöst wie beispielsweise Sirenen und Lautsprecherwagen. Auch auf Warntafeln kann die Probewarnung erscheinen.
Wie wird gewarnt? ●
Für den Fall einer Warnung über Sirene soll bundeseinheitlich ein einminütiger auf- und abschwellender Heulton verwendet werden. Entwarnung soll um 11.20 Uhr mittels eines einminütigen Dauertons gegeben werden. Die Radio- und Fernsehsender sollen zur Warnung ihre aktuellen Programme unterbrechen, im Fernsehen kann die Warnung auch eingeblendet werden.
Erstmals seit 30 Jahren sollen am Donnerstag wieder überall im Bundesgebiet die Sirenen heulen. Viele, gerade Jüngere, können damit heute gar nichts mehr anfangen. Deshalb müsse der Weckeffekt der Sirene mit Handlungsempfehlungen verknüpft werden, sagt Unger.
Wovor kann überhaupt gewarnt ● werden?
Am Donnerstag geht es nur darum, die Alarme bekannter zu machen und für den Ernstfall zu testen. Ein solcher Ernstfall kann einiges sein – Naturgefahren, gefährliche Wetterlagen, Waffengewalt, Unfälle in Chemietrieben oder auch Stromausfälle. Zu möglichen Szenarien gehören auch Krankheitserreger. Verpflichtende Anordnungen können etwa auch über die Warnsysteme ausgegeben werden.
Wer steht hinter dem Projekt?
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Auf Bundesebene ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zuständig, in den Bundesländern die Innenministerien. Außerdem sind in den Kommunen in der Regel die für Katastrophenschutz zuständigen Behörden beteiligt.
Warum ist der Warntag am
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10. September?
Im größten Teil des Landes ist dann schon wieder Schule, sodass man davon ausgehen kann, möglichst viele Menschen zu erreichen. Der Warntag soll künftig jedes Jahr am zweiten Donnerstag im September stattfinden.
Werden überall auch Sirenen ● heulen?
Es werden viele Sirenen heulen, aber welche Warnmittel jeweils genau zum Einsatz kommen, entscheiden die örtlichen Behörden.
Die Sirenen stammen ja teils noch ● aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs.
Warum sind die heute immer noch nötig?
Sirenen gelten vor allem nachts als zuverlässiges Warnmittel. Ihr Heulton holt die Menschen aus dem Schlaf, wenn Fernseher, Radio und Handy ausgestellt sind.
Wozu braucht man dann noch andere ● Warnmittel?
Sirenen können nur kundtun, dass Gefahr im Verzug ist, aber nicht welche. Über Lautsprecherfahrzeuge lässt sich die Bevölkerung viel konkreter warnen. Und über die App NINA, die Notfall-Informations- und Nachrichten-App des Bundes, kommt die Warnung direkt auf das Handy.
Wie funktioniert diese App?
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NINA wurde vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn entwickelt und ist mit dem sogenannten Modularen Warnsystem verknüpft. Das ist das satellitengestützte Warnsystem des Bundes, das Warnungen des BBK und lokale Warnungen der Leitstellen verbreitet. NINA empfängt aber auch Wetterwarnungen des Deutschen Wetterdienstes und Hochwasserwarnungen.
Ist das alles nicht ein bisschen Panikmache? ●
Unger bestreitet das: „Es geht nicht darum, Angst und Hysterie zu schüren. Das wäre kontraproduktiv.“Man dürfe die Bevölkerung aber auch nicht einlullen. Fakt sei, dass die Deutschen mit dem Thema bisher nicht sehr vertraut seien, und das berge Risiken. Wer keine Reserven daheim habe, der kaufe dann unter Umständen panisch Klopapier oder Lebensmittel – wie sich in der Corona-Krise gezeigt habe. Unger rät den Bürgern, immer für zehn Tage Vorräte zu Hause zu haben. Das hat in seinen Augen nichts mit Panikmache zu tun. Er fühle sich in seiner Rolle manchmal wie die Figur Kassandra aus der griechischen Mythologie. „Die hat ja auch immer auf irgendwelche Dinge hingewiesen – und keiner hat ihr geglaubt.“
Ist die Corona-Pandemie eine ●
Ursache für die Einführung des bundesweiten Warntags?
Mit Corona hat der Warntag direkt nichts zu tun. „Die Planungen für diesen Warntag sind schon zwei Jahre alt, da hatten wir von Corona noch keinen Schimmer. Aber natürlich ist es durch Corona verstärkt worden. Wir haben unsere Warnapp NINA zum Beispiel erweitert um Informationskanäle zu Corona.“Die Warn-App sei während der Pandemie zu einem wichtigen Instrument der Warnung und Information durch die Bundesregierung geworden. Andere Warn-Apps sind BIWAPP (Bürger Info und Warn App), KATWARN sowie diverse regionale Warn-Apps.
Eine bundesweite Warnung ist in der Realität unwahrscheinlich. Bei einem Terroranschlag, einer Giftwolke oder einem Stromausfall würde wohl nur regional gewarnt. Aber auszuschließen sei eben auch nichts, meint das in Bonn ansässige Bundesamt. Und es sei immer gut, wenn man wisse, wie und wo man sich schnell informieren könne.