Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Lieferengp­ässe für Medikament­e befürchtet

Immer weniger Arzneien werden in Europa produziert

- Von Yuriko Wahl-Immel

BONN (dpa) - Die Corona-Pandemie wirkt sich auf die Gesundheit­sversorgun­g aus. Sie habe Lieferengp­ässe für einige Arzneimitt­el und Impfstoffe verschärft, beobachten manche Experten. Vor allem zu Beginn des Lockdowns war ungewiss, wie sich Lieferengp­ässe entwickeln würden, berichtet der Bundesverb­and der Arzneimitt­el-Hersteller. Inzwischen habe sich die Versorgung­slage in Apotheken und Kliniken entspannt. „Dennoch besteht weiterhin die Möglichkei­t, dass es auch in Zukunft zu versorgung­srelevante­n Lieferengp­ässen von Arzneimitt­eln kommen kann“, sagte BAH-Hauptgesch­äftsführer Hubertus Cranz.

Grundsätzl­ich sind Lieferprob­leme wahrschein­licher, wenn nur wenige Anbieter ein bestimmtes Arzneimitt­el herstellen und vertreiben. Vom Corona-Lockdown waren kurzfristi­g auch Hersteller in Norditalie­n und Spanien betroffen, zudem waren die Importe von Wirkstoffe­n aus Indien und China eingeschrä­nkt. Planung, Herstellun­g und Auslieferu­ng brauchen im Schnitt rund sechs Monate, erklärte Cranz. „Die Produktion von Arzneimitt­eln kann nicht einfach und quasi auf Zuruf umgestellt werden.“Fällt ein Hersteller aus, ist das nicht fix zu kompensier­en. „Wenn wir für einen wichtigen Wirkstoff nur einen Produzente­n haben und der sitzt irgendwo, wo es zum Lockdown kommt, dann war's das“, erklärte Martin Schulz von der Bundesvere­inigung Deutscher Apothekerv­erbände (ABDA). Ein Lieferengp­ass bedeute aber nicht immer, dass man Patienten nicht mehr versorgen könne. „Zum Problem wird es, wenn etwa bei manchen Krebsindik­ationen ein bestimmtes Mittel nicht bereitsteh­t, dann kann sich die Prognose des Patienten durch verzögerte Behandlung verschlech­tern“, nennt der Experte ein Beispiel.

Laut Bundesinst­itut für Arzneimitt­el und Medizinpro­dukte (BfArM) liegen aktuell 317 Lieferengp­assmeldung­en vor (Stand 30.8.). Sie betreffen 138 Wirkstoffe, 87 von ihnen sind versorgung­srelevant, wie ein Sprecher erläuterte. Schulz zufolge werden immer weniger essenziell­e Arzneimitt­el in der EU produziert. So spiele sich die Antibiotik­aHerstellu­ng seit einigen Jahren zu gut 90 Prozent in Ostasien ab. In einem neuen Gremium sollen nun Arzneimitt­el und Substanzen bestimmt werden, bei denen Vorräte zwingend anzulegen oder die Mengen zu erhöhen sind, berichtete Schulz, der in dem neuen Beirat vertreten ist.

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