Ulmer Café schafft das Bargeld ab
Ein wenig Ärger, sehr viele Vorteile: Im Café Einstein ist nur noch Kartenzahlung möglich
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ULM - Ein paar Gäste, berichtet Thomas Bauer, seien schon beleidigt gewesen. Ein paar hätten das Lokal gelobt. Die meisten aber hätten gar nichts gesagt. „Wenn ich zufrieden bin, habe ich ja auch keinen Grund mich zu melden“, schließt der Gastronom. Das von Thomas und Manuela Bauer geführte Café Einstein im Basteicenter, unweit des CCU, hat das Bargeld abgeschafft. Im April zeitgleich mit der Wiedereröffnung nach dem Lockdown. Die Entscheidung, sagt Bauer, sei reiflich überlegt gewesen und sie habe sich bezahlt gemacht.
In den Vereinigten Staaten ist Kartenzahlung auch für Kleinstbeträge die Regel. In Schweden zahlen Kunden in manchen Läden sogar einen Aufpreis, wenn sie mit Bargeld einkaufen wollen. Hierzulande ist das anders, aber auch nicht überall. „Meine Tochter lebt in München. Sie sagt: ,Ich hab nie Bargeld dabei’“, berichtet Bauer. Sein Lokal ist das erste in Ulm, in dem die Kunden nur mit Karte, Apple Pay, Google Pay oder Paypal bezahlen können.
Dass Kunden bei kleineren Beträgen inzwischen oft keine Geheimzahl mehr eingeben müssen und dass die Kartenzahl aus hygienischen Gründen beliebter geworden ist, hat das Betreiber-Ehepaar Thomas und Manuela Bauer in seinem Entschluss bestärkt. „Es gibt nie nur Schwarz und Weiß. Aber das hat für uns fast ausschließlich Vorteile“, sagt Bauer. Vorteile, die das Café Einstein in den vergangenen Monaten gespürt habe. Tempo, Transparenz und hohe Einsparungen sind aus Bauers Sicht die wichtigsten.
Das Bezahlen per Karte gehe viel schneller: „Der Kunde bekommt die Rechnung, gibt vielleicht ein Trinkgeld. Es macht Klick und fertig.“Und Zeit spart auch das Personal: Eine halbe Stunde pro Tag, weil die Abrechnung wegfällt. Das Café Einstein habe gerade Personalprobleme, da mache sich diese Zeitersparnis besonders deutlich bemerkbar. Dass es schneller geht, sollen auch die Kunden bemerken. Ein Fünftel der Arbeit gehe für Büroarbeit drauf, rechnet Bauer vor. „Da müssen wir sehen, dass wir keinen Mitarbeiter brauchen, der nichts anderes tut.“Denn das, sagt Bauer, müsse am Ende der Gast bezahlen.
Er habe bereits überlegt, die Preise zu erhöhen, verrät der Wirt: „Das Gemüse ist deutlich teurer geworden.“Doch nach der Umstellung auf bargeldlose Zahlung sei das nicht mehr nötig, das Café Einstein werde übers Jahr einen Betrag in fünfstelliger Höhe sparen. Das liegt nicht nur daran, dass weniger Arbeitszeit für die Abrechnung verwendet werden muss, sondern auch an geringeren Kosten beim Steuerberater. In manchen Lokalen ist Kartenzahlung erst ab einem Mindestbetrag möglich. Denn die Unternehmer müssen eine Gebühr für die elektronische Zahlung abführen. Bauer schreckt das nicht: „Bei Kreditkarten sind das eins Komma nochwas Prozent“, sagt er.
Die nötige Technik haben die Bauers neu angeschafft. Eine neue Kasse wäre wegen der seit Januar geltenden Kassenbonpflicht ohnehin nötig gewesen. Nun schafften die Betreiber des Cafés eben besonders moderne und hochwertige Technik an und befestigten kaum übersehbare Hinweistafeln: „Bitte bargeldlos zahlen.“
Thomas Bauer hat auch mit einigen Kollegen aus der Doppelstadt gesprochen. Die einen gestanden: Sie hätten einen solchen Schritt auch schon erwogen, sich aber nicht getraut. Andere lobten die Idee, meinten aber: Die Zeit für eine solche Umstellung sei noch nicht gekommen. Bauer sieht das anders. Und die Zahlen geben ihm recht: „Der August war so gut wie noch nie“, berichtet er. Das, räumt er ein, habe aber viele Gründe. Zum Beispiel das besonders strenge Hygienekonzept, das vor allem bei älteren Gästen sehr gut ankomme. Einen Besucherrückgang wegen der Umstellung gebe es jedenfalls nicht.
Dass manche Menschen von elektronischer Zahlung wenig halten, ist dem Wirt bewusst. „Es gibt Leute, die sagen, Bargeld ist die einzige Freiheit, die wir haben“, sagt er. Sein Betrieb habe damit aber auch viel Ärger gehabt. Von der größeren Transparenz erhofft sich Thomas Bauer viel. „Die
Steuerbehörden unterstellen uns ja immer, dass wir betrügen. Das haben sie zu mir gesagt. Aber jetzt haben wir einen gläsernen Betrieb.“Wenn alle Zahlungen elektronisch laufen, sei auch alles einwandfrei und zweifelsfrei nachvollziehbar.
Ärger gab es stattdessen im Internet: Nach Medienberichten über die Umstellung gab es einen regelrechten Shitstorm. „Damit hatten wir nicht gerechnet, vielleicht waren wir naiv“, bekennt Thomas Bauer. Diejenigen, die im Netz wüteten, seien aber größtenteils gar keine Kunden des Cafés in der Wichernstraße gewesen: Manche gaben an, aus Frankfurt zu kommen. Andere schrieben, sie seien nie dort gewesen und würden auch nie hingehen. Und alle wüteten im August – also erst mehrere Monate nach der Umstellung, die problemlos über die Bühne gegangen war.