Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Ulmer Café schafft das Bargeld ab

Ein wenig Ärger, sehr viele Vorteile: Im Café Einstein ist nur noch Kartenzahl­ung möglich

- Von Sebastian Mayr

ULM - Ein paar Gäste, berichtet Thomas Bauer, seien schon beleidigt gewesen. Ein paar hätten das Lokal gelobt. Die meisten aber hätten gar nichts gesagt. „Wenn ich zufrieden bin, habe ich ja auch keinen Grund mich zu melden“, schließt der Gastronom. Das von Thomas und Manuela Bauer geführte Café Einstein im Basteicent­er, unweit des CCU, hat das Bargeld abgeschaff­t. Im April zeitgleich mit der Wiedereröf­fnung nach dem Lockdown. Die Entscheidu­ng, sagt Bauer, sei reiflich überlegt gewesen und sie habe sich bezahlt gemacht.

In den Vereinigte­n Staaten ist Kartenzahl­ung auch für Kleinstbet­räge die Regel. In Schweden zahlen Kunden in manchen Läden sogar einen Aufpreis, wenn sie mit Bargeld einkaufen wollen. Hierzuland­e ist das anders, aber auch nicht überall. „Meine Tochter lebt in München. Sie sagt: ,Ich hab nie Bargeld dabei’“, berichtet Bauer. Sein Lokal ist das erste in Ulm, in dem die Kunden nur mit Karte, Apple Pay, Google Pay oder Paypal bezahlen können.

Dass Kunden bei kleineren Beträgen inzwischen oft keine Geheimzahl mehr eingeben müssen und dass die Kartenzahl aus hygienisch­en Gründen beliebter geworden ist, hat das Betreiber-Ehepaar Thomas und Manuela Bauer in seinem Entschluss bestärkt. „Es gibt nie nur Schwarz und Weiß. Aber das hat für uns fast ausschließ­lich Vorteile“, sagt Bauer. Vorteile, die das Café Einstein in den vergangene­n Monaten gespürt habe. Tempo, Transparen­z und hohe Einsparung­en sind aus Bauers Sicht die wichtigste­n.

Das Bezahlen per Karte gehe viel schneller: „Der Kunde bekommt die Rechnung, gibt vielleicht ein Trinkgeld. Es macht Klick und fertig.“Und Zeit spart auch das Personal: Eine halbe Stunde pro Tag, weil die Abrechnung wegfällt. Das Café Einstein habe gerade Personalpr­obleme, da mache sich diese Zeiterspar­nis besonders deutlich bemerkbar. Dass es schneller geht, sollen auch die Kunden bemerken. Ein Fünftel der Arbeit gehe für Büroarbeit drauf, rechnet Bauer vor. „Da müssen wir sehen, dass wir keinen Mitarbeite­r brauchen, der nichts anderes tut.“Denn das, sagt Bauer, müsse am Ende der Gast bezahlen.

Er habe bereits überlegt, die Preise zu erhöhen, verrät der Wirt: „Das Gemüse ist deutlich teurer geworden.“Doch nach der Umstellung auf bargeldlos­e Zahlung sei das nicht mehr nötig, das Café Einstein werde übers Jahr einen Betrag in fünfstelli­ger Höhe sparen. Das liegt nicht nur daran, dass weniger Arbeitszei­t für die Abrechnung verwendet werden muss, sondern auch an geringeren Kosten beim Steuerbera­ter. In manchen Lokalen ist Kartenzahl­ung erst ab einem Mindestbet­rag möglich. Denn die Unternehme­r müssen eine Gebühr für die elektronis­che Zahlung abführen. Bauer schreckt das nicht: „Bei Kreditkart­en sind das eins Komma nochwas Prozent“, sagt er.

Die nötige Technik haben die Bauers neu angeschaff­t. Eine neue Kasse wäre wegen der seit Januar geltenden Kassenbonp­flicht ohnehin nötig gewesen. Nun schafften die Betreiber des Cafés eben besonders moderne und hochwertig­e Technik an und befestigte­n kaum übersehbar­e Hinweistaf­eln: „Bitte bargeldlos zahlen.“

Thomas Bauer hat auch mit einigen Kollegen aus der Doppelstad­t gesprochen. Die einen gestanden: Sie hätten einen solchen Schritt auch schon erwogen, sich aber nicht getraut. Andere lobten die Idee, meinten aber: Die Zeit für eine solche Umstellung sei noch nicht gekommen. Bauer sieht das anders. Und die Zahlen geben ihm recht: „Der August war so gut wie noch nie“, berichtet er. Das, räumt er ein, habe aber viele Gründe. Zum Beispiel das besonders strenge Hygienekon­zept, das vor allem bei älteren Gästen sehr gut ankomme. Einen Besucherrü­ckgang wegen der Umstellung gebe es jedenfalls nicht.

Dass manche Menschen von elektronis­cher Zahlung wenig halten, ist dem Wirt bewusst. „Es gibt Leute, die sagen, Bargeld ist die einzige Freiheit, die wir haben“, sagt er. Sein Betrieb habe damit aber auch viel Ärger gehabt. Von der größeren Transparen­z erhofft sich Thomas Bauer viel. „Die

Steuerbehö­rden unterstell­en uns ja immer, dass wir betrügen. Das haben sie zu mir gesagt. Aber jetzt haben wir einen gläsernen Betrieb.“Wenn alle Zahlungen elektronis­ch laufen, sei auch alles einwandfre­i und zweifelsfr­ei nachvollzi­ehbar.

Ärger gab es stattdesse­n im Internet: Nach Medienberi­chten über die Umstellung gab es einen regelrecht­en Shitstorm. „Damit hatten wir nicht gerechnet, vielleicht waren wir naiv“, bekennt Thomas Bauer. Diejenigen, die im Netz wüteten, seien aber größtentei­ls gar keine Kunden des Cafés in der Wichernstr­aße gewesen: Manche gaben an, aus Frankfurt zu kommen. Andere schrieben, sie seien nie dort gewesen und würden auch nie hingehen. Und alle wüteten im August – also erst mehrere Monate nach der Umstellung, die problemlos über die Bühne gegangen war.

 ?? FOTO: HORST HÖRGER ?? Karte statt Schein und Münze: Das Café Einstein in der Nähe des CCU setzt seit dem Frühjahr ausschließ­lich auf elektronis­che Zahlungen.
FOTO: HORST HÖRGER Karte statt Schein und Münze: Das Café Einstein in der Nähe des CCU setzt seit dem Frühjahr ausschließ­lich auf elektronis­che Zahlungen.

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