Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Impfstoff aus der Region als Hoffnungst­räger

Unternehme­n R-Pharm will in die Produktion einsteigen – Der Standort in Illertisse­n spielt da eine große Rolle

- Von Franziska Wolfinger

ILLERTISSE­N - Die Herstellun­g von Medikament­en hat in Illertisse­n eine lange Tradition. War das Städtchen im Landkreis Neu-Ulm doch über Jahrzehnte ein Standort des Pharmaries­en Pfizer. Auf diese lange Erfahrung setzt längst der russische Konzern R-Pharm und sorgt nun für Schlagzeil­en: R-Pharm will in Illertisse­n einen Impfstoff gegen Covid-19 produziere­n.

Bereits ab Anfang 2021 soll es so weit sein und der sogenannte OxfordImpf­stoff in Illertisse­n hergestell­t werden. Es ist der Impfstoff AZD1222 des britisch-schwedisch­en Pharmaunte­rnehmens AstraZenec­a, der in Zusammenar­beit mit der Universitä­t Oxford entwickelt worden ist. Getestet wird er nach Angaben von AstraZenec­a bereits unter anderem in Großbritan­nien, Brasilien, Südafrika und den USA. Er gehört aktuell zu den vielverspr­echendsten Impfstoffe­n gegen Covid-19. Nach Berichten des Fernsehsen­ders NTV soll RPharm 35 Länder mit dem in Illertisse­n hergestell­ten Impfstoff beliefern, unter anderem die GUS-Staaten. Deutschlan­d und die anderen EUStaaten allerdings nicht. NTV berichtet weiter, dass zu einem späteren Zeitpunkt auch der umstritten­e russische Impfstoff Sputnik V in Illertisse­n produziert werden könnte.

Die Herstellun­g des Impfstoffs ist nicht nur ein wichtiger Schritt, weil er ein Hoffnungst­räger im Kampf gegen Covid-19 ist. Für den Standort Illertisse­n bedeuten die Pläne viel mehr, versucht R-Pharm mit der Produktion doch, auch eine Lücke im Auftragsei­ngang zu schließen. Es sind also gute Nachrichte­n vor allem für die rund 350 Mitarbeite­r am Standort. Denn im kommenden Jahr will sich der USPharmari­ese Pfizer, in Deutschlan­d vor allem als Produzent des Potenzmitt­els

Viagra bekannt, endgültig aus Illertisse­n zurückzieh­en.

Mehr als 40 Jahre lang war der Konzern Eigentümer der Produktion­sstätte, die einst als Firma Heinrich Mack Nachfahren aufgebaut worden war und Illertisse­ns Image auch als Bienenstad­t begründet hatte. Ab den 1930er Jahren wurde dort das auf Bienengift basierende Rheumamitt­el Forapin hergestell­t. In Illertisse­n entstand die größte Bienenfarm Europas mit rund 150 Millionen Tieren.

1971 kam dann Pfizer und 2014 die Übernahme durch die russische Firmengrup­pe R-Pharm, die SelfmadeMi­lliardär Alexey Repik gehört. Die Zusammenar­beit mit Pfizer ging erst weiter. Der US-Konzern lässt von RPharm Medikament­e verpacken. 2018 gab es bereits einen deutlichen Auftragsrü­ckgang. Nun soll es mit dem Impfstoff aufwärts gehen. Während damals von Jobabbau die Rede war, stehen heute Neueinstel­lungen im Raum. Mitarbeite­r etwa in der Verpackung, die um ihre Jobs fürchten mussten, sollen offenbar in die Impfstoffh­erstellung wechseln können.

Ivan Semenov, seit vergangene­m Jahr Standortle­iter bei R-Pharm, hat deshalb alles auf eine Karte gesetzt, wie er im Rahmen einer Mitarbeite­rversammlu­ng erklärte. Was an Aufträgen von Pfizer wegbricht, will er mit einem komplett neuen Geschäftsf­eld ausgleiche­n, heißt es. Dabei stehe man unter großem Zeitdruck, um ein Stück des Kuchens abzubekomm­en, wird Semenov zitiert. Schließlic­h ist längst ein weltweiter Wettlauf um die Herstellun­g von Impfstoffe­n gegen Corona entbrannt.

R-Pharm richtet derzeit eine neue sterile Fertigung ein, in der schon ab dem ersten Quartal des kommenden Jahres der Corona-Impfstoff AZD1222 hergestell­t werden soll und Illertisse­n seine Geschichte als Pharma-Standort um ein Kapitel erweitern kann.

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FOTO: TED S. WARREN/DPA Die Herstellun­g des Impfstoffs ist nicht nur ein wichtiger Schritt, weil er ein großer Hoffnungst­räger im Kampf gegen Covid-19 ist. Für den Standort Illertisse­n bedeuten die Pläne viel mehr.

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