Impfstoff aus der Region als Hoffnungsträger
Unternehmen R-Pharm will in die Produktion einsteigen – Der Standort in Illertissen spielt da eine große Rolle
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ILLERTISSEN - Die Herstellung von Medikamenten hat in Illertissen eine lange Tradition. War das Städtchen im Landkreis Neu-Ulm doch über Jahrzehnte ein Standort des Pharmariesen Pfizer. Auf diese lange Erfahrung setzt längst der russische Konzern R-Pharm und sorgt nun für Schlagzeilen: R-Pharm will in Illertissen einen Impfstoff gegen Covid-19 produzieren.
Bereits ab Anfang 2021 soll es so weit sein und der sogenannte OxfordImpfstoff in Illertissen hergestellt werden. Es ist der Impfstoff AZD1222 des britisch-schwedischen Pharmaunternehmens AstraZeneca, der in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford entwickelt worden ist. Getestet wird er nach Angaben von AstraZeneca bereits unter anderem in Großbritannien, Brasilien, Südafrika und den USA. Er gehört aktuell zu den vielversprechendsten Impfstoffen gegen Covid-19. Nach Berichten des Fernsehsenders NTV soll RPharm 35 Länder mit dem in Illertissen hergestellten Impfstoff beliefern, unter anderem die GUS-Staaten. Deutschland und die anderen EUStaaten allerdings nicht. NTV berichtet weiter, dass zu einem späteren Zeitpunkt auch der umstrittene russische Impfstoff Sputnik V in Illertissen produziert werden könnte.
Die Herstellung des Impfstoffs ist nicht nur ein wichtiger Schritt, weil er ein Hoffnungsträger im Kampf gegen Covid-19 ist. Für den Standort Illertissen bedeuten die Pläne viel mehr, versucht R-Pharm mit der Produktion doch, auch eine Lücke im Auftragseingang zu schließen. Es sind also gute Nachrichten vor allem für die rund 350 Mitarbeiter am Standort. Denn im kommenden Jahr will sich der USPharmariese Pfizer, in Deutschland vor allem als Produzent des Potenzmittels
Viagra bekannt, endgültig aus Illertissen zurückziehen.
Mehr als 40 Jahre lang war der Konzern Eigentümer der Produktionsstätte, die einst als Firma Heinrich Mack Nachfahren aufgebaut worden war und Illertissens Image auch als Bienenstadt begründet hatte. Ab den 1930er Jahren wurde dort das auf Bienengift basierende Rheumamittel Forapin hergestellt. In Illertissen entstand die größte Bienenfarm Europas mit rund 150 Millionen Tieren.
1971 kam dann Pfizer und 2014 die Übernahme durch die russische Firmengruppe R-Pharm, die SelfmadeMilliardär Alexey Repik gehört. Die Zusammenarbeit mit Pfizer ging erst weiter. Der US-Konzern lässt von RPharm Medikamente verpacken. 2018 gab es bereits einen deutlichen Auftragsrückgang. Nun soll es mit dem Impfstoff aufwärts gehen. Während damals von Jobabbau die Rede war, stehen heute Neueinstellungen im Raum. Mitarbeiter etwa in der Verpackung, die um ihre Jobs fürchten mussten, sollen offenbar in die Impfstoffherstellung wechseln können.
Ivan Semenov, seit vergangenem Jahr Standortleiter bei R-Pharm, hat deshalb alles auf eine Karte gesetzt, wie er im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung erklärte. Was an Aufträgen von Pfizer wegbricht, will er mit einem komplett neuen Geschäftsfeld ausgleichen, heißt es. Dabei stehe man unter großem Zeitdruck, um ein Stück des Kuchens abzubekommen, wird Semenov zitiert. Schließlich ist längst ein weltweiter Wettlauf um die Herstellung von Impfstoffen gegen Corona entbrannt.
R-Pharm richtet derzeit eine neue sterile Fertigung ein, in der schon ab dem ersten Quartal des kommenden Jahres der Corona-Impfstoff AZD1222 hergestellt werden soll und Illertissen seine Geschichte als Pharma-Standort um ein Kapitel erweitern kann.