Tschechiens Totalumbau
Weil die UEFA trotz zwei Corona-Fällen auf Spielen besteht, sind plötzlich 21 Debütanten im Kader
PRAG (SID) - Roman Hubnik hatte ganz andere Pläne für den Montagabend. Der frühere Hertha-Profi wollte das Länderspiel seiner Tschechen gegen Schottland – 1:2 hieß es am Ende, die völlig neuformierte Elf war einem Remis nahe – gemütlich von der Couch verfolgen, doch dann klingelte sein Telefon. Wenige Minuten später war der 36-Jährige Kapitän der Nationalmannschaft, aus der er 2016 zurückgetreten war. „In der Welt, in der wir heute leben, ist alles möglich“, sagte der Abwehrspieler über sein Blitz-Comeback.
Hubniks Rückkehr war die Folge hektischer Stunden rund um das Andruv-Stadion. Tschechiens Fußball-Verband hatte das Nations-League-Spiel in Olmütz abgesagt, weil zwei Personen aus dem Funktionsteam positiv auf Corona getestet worden waren. Doch die Europäische Fußball-Union (UEFA) bestand auf der Austragung. Also musste Tschechien am Sonntag in nur fünf Stunden einen komplett neuen Kader basteln.
Ergebnis: 21 der 23 Spieler im neuen Team hatten noch nie ein Länderspiel bestritten. Neben Hubnik konnte nur Stürmer Stanislav Tecl (30) fünf Einsätze vorweisen. „Ich hätte mir noch vor wenigen Tagen niemals vorstellen können, hier zu sein. Es war schnell und überraschend, aber ich habe sofort zugesagt“, soHubnik.
Der Routinier spielt inzwischen bei Sigma Olmütz, war also ohnehin in der Stadt. Damit war er nicht allein: Insgesamt stellt Sigma sechs Akteure, niemand aus der neuen Mannschaft verdient sein Geld im Ausland. Zum Kader gehört auch der erst im Juli 17 Jahre alt gewordene Adam Karabec von Sparta Prag, der zum jüngsten Spieler der tschechischen Länderspiel-Geschichte werden könnte.
Doch nicht nur die Spieler mussten komplett ausgetauscht werden, auch der gesamte Stab ist neu. Für Nationaltrainer Jaroslav Silhavy sprang kurzerhand David Holoubek ein, der eigentlich die U18 des Landes betreut. „Wir können uns über gar nichts mehr sicher sein. Aber die Spieler, die zum Einsatz kommen, werden um ein gutes Ergebnis kämpfen“, versprach Holoubek vor dem Anstoß: „Auch wenn Schottland auf dem Papier der Favorit ist, werden wir nichts herschenken.“
Die ursprünglich berufene Mannschaft war da längst auf dem Heimweg, Torhüter Jiri Pavlenka von Werder Bremen kehrte umgehend nach Deutschland zurück. „Nach Rücksprache mit dem Gesundheitsamt wird sich Pavlenka direkt nach seiner Rückkehr einem Corona-Test unterziehen, einen weiteren am Dienstag“, teilte Werder mit. Bis dahin werde er keinen Kontakt zu Mitspielern haben. Pavlenka musste das Duell gegen Schottland von der heimischen Couch verfolgen. Dabei hatte er für den Abend eigentlich ganz andere Pläne.
„Wir können uns über gar nichts mehr sicher sein.“David Holoubek, sonst U18-Coach, nun für einen Tag Nationaltrainer