15 bis 20 Watt zu wenig
Emanuel Buchmann erklärt seinen Einbruch in den Pyrenäen, sein Team Bora-hansgrohe rüstet auf
LA ROCHELLE (dpa/SID) - Im Seglerund Surferparadies La Rochelle ließ sich bei strahlendem Sonnenschein die Frustbewältigung bei Emanuel Buchmann ein wenig angenehmer betreiben. Ein paar Kilometer spulte der Ravensburger an der Atlantikküste ab, ansonsten stand Regeneration ganz oben auf dem Tagesprogramm. In Angriffslaune war der Vorjahresvierte am Ruhetag der Tour de France aber noch lange nicht. „Die Enttäuschung ist natürlich groß, wenn man sich ein Jahr darauf vorbereitet. Das ist kein schönes Gefühl“, sagte Buchmann.
An Aufgabe denke er aber nicht. „Bei der Tour steigt man nicht einfach so aus. Die will man schon zu Ende bringen“, sagte der Ravensburger und kündigte einen neuen Anlauf für die nächsten Jahre an: „Ich weiß nach wie vor, dass ich es kann. Da ändert sich für die nächsten Jahre nichts. Die Werte waren vor der Tour auch andere.“
Den freien Tag am Atlantik nutzte das Team, um seine Taktik zu ändern. Von den Podiumsträumen ist nichts mehr übrig, nachdem Buchmanns Motor in den steilen Pyrenäen in den roten Bereich geraten war. „Das Gesamtklassement ist hinfällig. Wir werden versuchen, auf Etappensiege zu fahren“, sagte Sportdirektor Enrico Poitschke vom Bora-hansgrohe-Team. Alles andere wäre bei fast sechs Minuten Rückstand in der Gesamtwertung auch unrealistisch gewesen.
Dabei hatte Buchmann so sehr auf das große Ziel hingefiebert, sogar mit dem ganz großen Coup geliebäugelt. Entsprechend war die Stimmung des 27-Jährigen nach dem Systemausfall auf den Rampen im Grenzgebirge im Keller. „Mental ist es schwer zu akzeptieren, dass man nicht ganz vorne mitfahren kann. Er hat monatelang darauf hingearbeitet. Wenn man dann angeschlagen in die Tour geht und merkt, dass es nicht funktioniert, ist das hart“, sagte Poitschke. Durch den Sturz bei der Dauphiné-Rundfahrt habe das Leichtgewicht aber zu viele Trainingstage, zu viel Energie eingebüßt. 15 bis 20 Watt habe er verloren, meinte Buchmann.
Was wäre sonst wohl möglich gewesen? „Viel“, sagte Teamchef Ralph Denk: „Die Leistungen sind ja messbar. Dieses Tempo der Favoritengruppe wäre er mit seiner Dauphiné-Form relativ leicht ohne besondere Quälerei mitgegangen.“Stattdessen wurde Buchmann abgehängt, als die Stars um den neuen Ersten Primoz Roglic beim ersten Kräftemessen ernst machten.
So glich das Kyriad-Hotel in Aytré eher einem kleinen Sanatorium. Auch die drei Teamkollegen Maximilian Schachmann, Lennard Kämna und Gregor Mühlbauer kurierten Sturzverletzungen aus. „Der Körper geht in eine Art Notmodus. Bis hierher und nicht weiter“, sagte Kämna: „Wir erholen uns langsam. Ich glaube, dass wir in der zweiten und dritten Woche besser fahren werden.“Auch Schachmann kündigte an, man gebe nicht auf: „Wir sind keine gebrochene Truppe.“
Ein Etappensieg soll noch als Mindestziel herausspringen. Man werde nun schauen, welche Etappen Buchmann liegen. Auch Schachmann, bei dem drei Wochen nach seinem Schlüsselbeinbruch die Werte besser werden, könnte noch eine Rolle spielen. „Aber an erster Stelle steht die Verteidigung des Grünen Trikots“, sagte Poitschke mit Blick auf die Punktewertung, die Ex-Weltmeister Peter Sagan noch knapp anführt. Richtig überzeugen konnte der Slowake aber auch nicht, was auch Denk aufgefallen ist: „Im Mann-gegen-MannDuell der besten Sprinter ist er im Moment nicht konkurrenzfähig.“
Damit Situationen wie in diesem Jahr, als Buchmann recht früh allein am Berg war, nicht mehr auftreten, hat sich der Rennstall mit Wilco Kelderman für die neue Saison verstärkt. Aktuell
kann der 29-jährige Niederländer und Vuelta-Vierte von 2017 aber nicht helfen. „Wilco ist ein Fahrer mit enormem Potential. Er ist im perfekten Alter für Rundfahrer und wird in jedem Fall eine echte Verstärkung sein“, sagte Denk. Kelderman gehört nicht zum Tour-Aufgebot des SunwebTeams, für das er seit 2016 fährt.
Zudem verpflichtete Bora den Essener Mountainbike-Nationalfahrer Ben Zwiehoff (26), der 2015 Team-Europameister wurde und seit Januar für Centurion-Vaude in Meckenbeuren fährt. „Auf der Straße, besonders in den Bergen, sehen wir da bei ihm enorme Möglichkeiten“, sagte Denk.