Die heiße Fracht der „Lady Rosebay“
Im Prozess um das Bananenkisten-Kokain legen die Angeklagten ein Geständnis ab
● NEU-ULM/MEMMINGEN - Es ist einer der spannendsten Kriminalfälle der vergangenen Jahre im Raum NeuUlm, der gerade am Landgericht Memmingen verhandelt wird: Im Prozess um den Schmuggel von 500 Kilogramm Kokain, die im Dezember in Bananenkisten versteckt im Fruchthof Nagel entdeckt wurden, haben sich am Donnerstag die Angeklagten geäußert.
Die sechs Angeklagten, die auch am dritten Verhandlungstag aus der UHaft in Handschellen und Fußfesseln in die Memminger Stadthalle vorgeführt wurden, gaben durch ihre Verteidiger Erklärungen ab. Alle lauteten ähnlich: Sie seien jeweils in Albanien in einfachen Verhältnissen aufgewachsen und nach der Schule arbeitslos geworden oder hätten als Hilfsarbeiter wenig Geld verdient. Dazu kämen Schicksalsschläge, die ihre Not vergrößert hätten: Ein Kind der Familie oder der Angeklagte selbst seien krank geworden. Einer gab an, als Landwirt vom Ertrag seiner Olivenbäume zu leben, aber schlechte Ernten hätten ihn geplagt.
Übereinstimmend ließen die Männer erklären, dass sie getrennt voneinander im Rahmen ihrer Arbeitssuche in Italien oder Deutschland von Personen angesprochen worden seien, die sie aber nicht nennen wollten. Deren Angebot: Bei einem Einbruch in eine Firma könnten sie schnell viel Geld verdienen. Ihnen sollen bis zu 15 000
Euro offeriert worden sein. Auf Nachfrage sei ihnen erklärt worden, dass sie Drogen aus der Firma herausholen müssten. Menschen würden aber nicht gefährdet. Sie hätten sich von dem vielen Geld blenden lassen und seien dann nach Ulm gefahren – teilweise aus Mailand, andere aus Köln und Frankfurt. Einer gab an, er sei nur als Fahrer engagiert worden.
In Ulm seien sie dann erstmals zusammengetroffen, vorher hätten sie sich nicht gekannt. Infos habe es nur telefonisch gegeben.
Nach einer Erkundung des Fruchthofs brachen die Männer am Abend des 14. Dezember dort ein. Die Kokainpäckchen seien in Taschen zum Auto gebracht worden. Dann wurden die Täter von einem größeren Polizeiaufgebot gestellt. Die Beamten nahmen sechs Männer fest; einem siebten, dessen Namen keiner nennen wollte, gelang die Flucht. Die Angeklagten ließen erklären, ihnen tue die Sache sehr leid. Sie litten seither sehr unter der Trennung von ihren Familien.
Am zweiten Verhandlungstag war ein „Verständigungsvorschlag“zwischen der Strafkammer und allen Beteiligten ausgehandelt worden: Fünf Angeklagte haben demnach bei einem Geständnis Freiheitsstrafen zwischen fünfeinhalb und sechseinhalb Jahren zu erwarten, der sechste Mann muss wegen seiner Vorstrafen möglicherweise etwas mehr als sieben Jahre einsitzen.
Nach diesen Geständnissen begann am Nachmittag die Beweisaufnahme mit der Aussage eines Sachverständigen. Ein Chemiker des zählte fast eine Stunde lang jedes Kokainpäckchen auf und nannte das genaue Gewicht sowie den Wirkstoffgehalt. Demnach handelte es sich bei dem Schmuggelgut um sehr hochwertiges Rauschgift. Das insgesamt 490 Kilo schwere Material enthielt laut der Analyse des Chemikers 404 Kilo hundertprozentiges Kokain.
Eine Kriminalbeamtin, die mit der Spurensicherung befasst war, zeigte detailliert, was vorgefunden wurde. In drei Palettenreihen wurden 62 Bananenkisten mit der heißen Ladung entdeckt. Sie waren dadurch erkennbar, dass der offene Deckel mit einer Kartonplatte verdeckt war. Die in grüne Folie verpackten Kokainpäckchen zu je etwa einem Kilo waren mit Bananen getarnt. Wie die Kripobeamtin berichtete, brachen die Täter ein Segment eines Sektionaltores auf und suchten dann die Reifekammer, die mit einem Warenzettel des Schiffes „Lady Rosebay“versehen war.
Allerdings hatte die Polizei das Kokain noch vor dem Einbruch durch Attrappen ersetzt. Die Täter brachen die Reifekammer auf und schleppten die nicht mehr so heiße Ware zu zwei Autos. Es folgte: der Zugriff.
Vermutlich am 9. November soll das Urteil gesprochen werden.