Corona bringt Ruheständlern eine Nullrunde
Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit wirken sich auf die Rentenerhöhung aus
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BERLIN - Die Rentner im Westen müssen sich im kommenden Jahr auf eine Nullrunde einstellen. In Ostdeutschland werden die Altersbezüge noch einmal um 0,72 Prozent steigen. Damit schlagen die in Folge der Corona-Krise sinkenden Einkommen der Arbeitnehmer kurzzeitig auf die Einkommen der gut 20 Millionen Rentner durch. Die Schätzung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) beruht auf der Entwicklung der Löhne in diesem Jahr.
Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit wirken sich aus. Die Bruttolöhne und -gehälter werden in diesem Jahr um ein Prozent unter dem Wert von 2019 liegen. Eigentlich müssten die Renten der Entwicklung folgen, erklärt der alternierende Bundesvorstand der DRV, Alexander Gunkel. „Nach gegenwärtigem Datenstand ergäbe sich 2021 rechnerisch eine negative Rentenanpassung“, sagt er. Das hätte einen deutlichen Einschnitt zur Folge, eine Kürzung um gut vier Prozent im Westen und etwas weniger im Osten.
Doch Rentenkürzungen sind gesetzlich verboten. Die Ruheständler kommen mit einem blauen Auge aus der Krise. Eine weitere gesetzliche Regelung sorgt sogar für recht positive mittelfristige Aussichten für die Alterseinkommen. Ursprünglich wurde das Kürzungsverbot an einen Nachholfaktor gekoppelt. Statt einer Kürzung sollte es anschließend eine Zeit lang geringere Rentenerhöhungen geben. So sollten die Rentner die für die Arbeitnehmer nachteilige
Lohnentwicklung nachvollziehen, ohne dass sie weniger Rente bekommen.
Die Bundesregierung hat den Nachholfaktor vor einiger Zeit wieder abgeschafft. Davon werden die Ruheständler erheblich profitieren. Denn im kommenden Jahr erwarten die Volkswirte wieder deutlich steigende Bruttolöhne und -gehälter, weil die Krise überwunden wird. „2022 sind deutlich steigende Renten zu erwarten“, erläutert Gunkel die Folge. Im Westen könnten sie um 4,6 Prozent, im Osten um 5,6 Prozent zulegen. Mit Nachholfaktor wäre es nur halb so viel.
Noch kann die Rentenkasse die Ausgaben gut stemmen. Die Rücklagen
liegen mit 1,53 Monatsausgaben weit über der Mindestrücklage von 0,2 Monatsausgaben. Doch das wird sich laut Gunkel ändern. Corona und eine wachsende Zahl von Neurentnern sowie eine mäßige Entwicklung der Beitragseinnahmen lassen die Reserven zusammenschmelzen. „Nach derzeitigem Stand führt dies dazu, dass der Beitragssatz 2023 anzuheben ist“, sagt der Vorstand.
Zugleich befürchtet die DRV dann auch mögliche Liquiditätsengpässe. Die Mindestrücklage reicht demnach nicht aus, alle Zahlungen sicherzustellen, wenn es im Verlauf eines Jahres einmal zu erheblich schwankenden Einnahmen kommt. Die Rentner bekämen in diesem Falle zwar weiter pünktlich ihre Bezüge überwiesen, weil der Bund dann mit einem Vorschuss einspringen müsste. Doch Gunkel sieht das Vertrauen in die Alterssicherung gefährdet, wenn dieser Ernstfall einträfe. Deshalb fordert die DRV eine Erhöhung der Mindestrücklage.
Ein Blick auf die aktuelle Finanzentwicklung der Rentenkasse zeigt ein angesichts der Krise erstaunlich stabiles Bild. Die DRV erwartet in diesem Jahr Gesamteinnahmen von 328 Milliarden Euro. Gegenüber der letzten Schätzung im Februar, vor Beginn der Pandemie, beträgt der Ausfall an Beiträgen der Arbeitnehmer 4,6 Milliarden Euro. Da die Arbeitsagenturen die Beiträge für Arbeitslose entrichten und die Arbeitgeber die für Kurzarbeiter, schlägt die allgemeine Krise in diesem Jahr noch nicht voll auf die Rentenkasse durch.