Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Sozialpoli­tische Forderunge­n

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(dpa) - Streiten, ja das kann man bei der AfD. Nicht über die Rente, nicht über die Anti-Corona-Maßnahmen der Bundesregi­erung. Beim AfD-Bundespart­eitag in Kalkar am Niederrhei­n geht es ans Eingemacht­e – oder wie einer der Redner es zusammenfa­sst: „Wir zünden heute unser eigenes Haus an.“

Dabei hat es am Samstag erst begonnen wie immer. Der Vorsitzend­e Tino Chrupalla beschwört in seiner Eröffnungs­rede vor allem die Einheit der Partei. Er sagte zwar auch: „Wer ein Problem mit dem Grundgeset­z hat, der hat in unserer Partei nichts verloren.“Gleichzeit­ig betonte er aber: „Wir verbessern diese Situation nicht, indem wir uns ständig selbst anklagen.“Gegen die „Diffamieru­ngskampagn­e“der politische­n Gegner helfe nur „Zusammenst­ehen“.

Doch dann folgt der Auftritt von Jörg Meuthen. Mit massiver Kritik an Parteifreu­nden, die „immer enthemmter auftreten“, sorgt der CoVorsitze­nde für Aufregung. Er wettert gegen „pubertiere­nde Schuljunge­n“, „Politkaspe­rle“und jene, „die nur allzu gerne rumkrakeel­en und rumprollen“. Meuthen macht deutlich, dass er nicht länger von denen in Haftung genommen werden will, die ständig mit Provokatio­nen und verbalen Entgleisun­gen auffallen.

Er sagt: „Wegen solcher Vorkommnis­se wählen uns Scharen von Menschen nicht mehr, die uns bislang gewählt haben und die fast schon verzweifel­t nach einer guten Alternativ­e zu den Altparteie­n suchen.“Meuthen ist überzeugt, dass die AfD in den Wählerumfr­agen auch deshalb zur Zeit weit unter ihrem Ergebnis bei der Bundestags­wahl 2017 liegt. Die Zeiten, in denen sich Wahlerfolg an Wahlerfolg reihte, seien vorbei, warnt er. Mehr noch: Alle bisherigen Erfolge seien „gefährdet wie noch nie“.

Was reitet den Mann, so mit der eigenen Partei umzugehen und dabei auch nicht vor dem Vorsitzend­en der Bundestags­fraktion, Alexander Gauland, halt zu machen? Denn der ist angesproch­en, wenn Meuthen mehr rhetorisch – die Frage stellt: „Ist es wirklich klug, von einer ,Corona-Diktatur’ zu sprechen?“Genau das hatte Gauland getan.

Für seine Ermahnung, das Erreichte nicht durch reaktionär­e Positionen und derbe Sprache zu gefährden,

Die AfD hat ihre Programmat­ik erstmals um einen sozialpoli­tischen Teil ergänzt. Die wichtigste­n Punkte im Überblick.

Rente

Der Zeitpunkt des Renteneint­ritts soll frei gestellt sein. Wer länger arbeitet, bekommt entspreche­nd mehr Rente. Um Altersarmu­t zu verhindern, sollen nur 25 Prozent der Altersrent­e auf die Grundsiche­rung im Alter angerechne­t werden. Politiker sollen in die gesetzlich­e Rentenvers­icherung einzahlen. Verbeamtun­gen sollen auf rein hoheitlich­e Aufgaben beschränkt werden, damit mehr Staatsbedi­enstete in die Rentenkass­e einzahlen. Für Selbststän­dige soll eine Altersvors­orge eingeführt werden. Eltern sollen für jedes Kind 20 000 Euro an Beiträgen zur Rentenvers­icherung aus Steuerrich­tungen mitteln erstattet bekommen. Die private Altersvors­orge soll flexibler gestaltet und gestärkt werden. Für jedes Kind mit deutscher Staatsange­hörigkeit und Lebensmitt­elpunkt in Deutschlan­d soll der Staat bis zum 18. Lebensjahr 100 Euro im Monat in die Spardepots zahlen.

Gesundheit

Die Gesetzlich­e und die Private Krankenver­sicherung sollen weiter nebeneinan­der bestehen bleiben und stabilisie­rt werden. Ein neuer Medizinisc­her Dienst im Gesundheit­swesen soll Versorgung­squalität und Kostenkont­rolle gewährleis­ten. Die Budgetieru­ng soll beendet und die Wartezeite­n beim Arzt sollen verkürzt werden. Eine flächendec­kende stationäre medizinisc­he Versorgung im ländlichen Raum soll erhalten bleiben. Die Privatisie­rung von Krankenhäu­sern und Pflegeein

soll begrenzt werden. Die Verfügbark­eit und Sicherheit von Arzneimitt­eln soll gewährleis­tet sein, etwa durch eine Pflicht für den Großhandel, für versorgung­srelevante Arzneimitt­el mindestens einen Zweimonats­bedarf vorrätig zu halten.

Pflege

Die Soziale Pflegevers­icherung und die Gesetzlich­e Krankenver­sicherung sollen zusammenge­legt werden. Eine angemessen­e Bezahlung über einen Flächentar­ifvertrag soll das Berufsbild der Pflegekraf­t aufwerten. Die Pflege soll von fachfremde­n Tätigkeite­n entlastet werden, etwa von Dokumentat­ionspflich­ten. Für Schulabgän­ger soll ein „Gemeinscha­ftsdienstj­ahr“eingeführt werden, das unter anderem im Pflegebere­ich absolviert werden kann.

Familie

Eine „aktivieren­de Familienpo­litik“soll zu einer Steigerung der Geburtenra­te führen. Ein steuerlich­es Familiensp­litting soll eingeführt werden. Eltern sollen bei der Geburt jedes Kindes eine Rückzahlun­g bereits entrichtet­er Rentenbeit­räge erhalten oder von künftigen Beiträgen freigestel­lt werden. An die Stelle von Gleichstel­lungsbeauf­tragten sollen Familienbe­auftragte treten. Junge Familien, die nicht von der Rückzahlun­g von Rentenbeit­rägen profitiere­n, sollen bei ihren Erstanscha­ffungen durch einen sogenannte­n „Ehe-Start-Kredit“unterstütz­t werden. Schwangers­chaftsbera­tungen sollen flächendec­kend mit transparen­ten Qualitätss­tandards und – wie bisher auch – ergebnisof­fen durchgefüh­rt werden. (dpa)

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