Beratungen starten
● ALB-DONAU-KREIS - Bedrückende Einblicke: Über Familien im Brennpunkt sind die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses des Kreistags informiert worden. Die Corona-Krise verschärft demnach Spannungen in den eigenen vier Wänden, die Gewalt, vor allem gegenüber Kindern, nimmt zu. Die Handlungsmöglichkeiten der Behörden sind begrenzt.
„Wir hatten noch nie so viele verzweifelte Mütter“, stellt Bettina Müller vom Kinderschutzbund Ulm/ Neu-Ulm fest. Sie muss es wissen. Denn der Kinderschutzbund betreibt schon seit 30 Jahren die Psychologische Beratungsstelle, an die sich Familien, Frauen und Kinder aus der Region wenden, wenn es daheim nicht rund läuft.
Das Corona-Jahr 2020 markiere diesbezüglich einen neuen Tiefpunkt, so Müller. Und vor allem Mütter, alleinerziehende im Speziellen, litten unter der bereits Monate andauernden Ausnahmesituation. Meist sind sie es, die sich neben Job und Haushalt auch noch um die Kinder kümmern müssen, die wegen Corona nicht selten daheim lernen sollen.
Alarm schlug am Donnerstag in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses des Kreistags auch Nicole Lohrmann. Sie berichtete aus Sicht der Schulsozialarbeiter, die der AlbDonau-Kreis an seinen Schulen eingesetzt hat. Lohrmann selbst arbeitet an der Ulmer Valckenburgschule, Kollegen von ihr sind vor allem tätig in Ehingen – an der dortigen Magdalena-Neff-Schule, der Gewerblichen und Kaufmännischen Schule sowie an der Schmiechtalschule. Die Betreuung
an der kreiseigenen Martinschule in Laichingen obliegt dem Oberlin-Verein.
Müller und Lohrmann bestätigten beide unabhängig voneinander, was schon zu befürchten war angesichts der Meldungen über zunehmende häusliche Gewalt während der Corona-Krise: Auch im Alb-Donau-Kreis hängt der Haussegen vielerorts offenbar gewaltig schief. Die Berichte von Müller und Lohrmann stimmten auch Landrat Heiner Scheffold nachdenklich. Als für einen dreifachen Familienvater „unvorstellbar, aber Fakt“bezeichnete er die Abgründe, die die beiden Expertinnen stellenweise schilderten.
Schulsozialarbeiterin Nicole Lohrmann berichtete von Schülern, die bereits volljährig seien, nun aber – ausgelöst von der offenbar explosiven Corona-Stimmung zuhause – Angst hätten, daheim zu sein. Ein Betroffener habe sich gemeldet mit der
Klage: „Mein Vater schlägt mich wieder.“Das deckt sich mit den Erfahrungen, die der Kinderschutzbund in den vergangenen Monaten gemacht habe. „Die Konflikte werden schärfer“, so Bettina Müller. Auch sie hatte ein plastisches Beispiel mitgebracht, einen Sechsjährigen, der beim Kinderschutzbund angerufen habe mit der flehenden Bitte: „Du musst kommen, Mama und Papa hauen sich tot.“Müller versicherte: Als Berater beim Kinderschutzbund „nimmst du das mit nach Hause“.
Die Anfrage nach Beratung beim Kinderschutzbund übersteige seit der Corona-Krise die Kapazitäten „ganz massiv“, sagte Müller. Sie zeigte sich dankbar dafür, dass der Kreis gemeinsam mit der Stadt Ulm auch weiterhin die 3,1 Personalstellen der Psychologische Beratungsstelle finanziere. Auch die Verwaltung des Alb-Donau-Kreises hat messbare Veränderungen in den vergangenen
Monaten festgestellt. Sozialdezernent Josef Barabeisch berichtete von gestiegenen Fällen an Kindeswohlgefährdungen, die beim Jugendamt gemeldet worden seien. Zwischen Januar und September 2020 seien es 175 Meldungen gewesen, im gleichen Zeitraum des Vorjahrs 150, zuvor 168 und im Jahr 2017 111.
Ob die Tendenz tatsächlich mit wegen Corona blank liegenden Nerven zusammenhänge, oder mit einer erhöhten Sensibilität der Bevölkerung grundsätzlich, vermochte Barabeisch nicht zu beurteilen. Sein Fazit allerdings: „Die Beratungszahlen gehen permanent nach oben.“Ob die Gewalt, die Kinder und Jugendliche in dieser Corona-Zeit verstärkt erfahren, auch in ihrer Heftigkeit zunehme (und nicht nur in der Häufigkeit), konnte Barabeisch nicht beurteilen. Schwere Fälle seien aber durchaus dabei. Die Gewalt reiche von psychischer, körperlicher bis hin zu sexueller Gewalt. Um Probleme frühzeitig erkennen und im besten Fall beseitigen zu können, unterstützt der Kreis die Abteilungen und Einrichtungen unter seinem Dach und darüber hinaus (wie den Kinderschutzbund, die Caritas und die Diakonie) auch im kommenden Jahr finanziell. Es sind wieder viele Millionen Euro. Und die Aussichten? Die sind nur dann gut – oder zumindest besser –, wenn Missstände den Behörden oder Organisationen wie dem Kinderschutzbund tatsächlich gemeldet werden. Auch anonyme Hinweise sind möglich. Landrat Scheffold äußerte die Befürchtung, dass Fälle von Misshandlungen und Gewalt gegenüber Schutzbefohlenen wohl eher zunehmen in Zukunft, als dass sie zurückgehen.
EHINGEN (sz) - Die Haushaltsberatungen in Ehingen starten in dieser Woche. Am Montag, 30. November, findet um 16 Uhr eine öffentliche und nichtöffentliche Sitzung des Verwaltungsausschusses statt. Am Dienstag, 1. Dezember, findet um 16 Uhr eine öffentliche Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik und am Donnerstag, 3. Dezember, findet um 16 Uhr eine öffentliche Sitzung des Kultur- und Sozialausschusses statt. Alle Sitzungen finden aufgrund der Corona-Pandemie im Großen Saal der Ehinger Lindenhalle statt.