Das Höfesterben geht weiter
Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe im Südwesten schrumpft – Das Tempo des Rückgangs nimmt jedoch ab
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WIESBADEN/STUTTGART/RAVENSBURG - Weniger Bauernhöfe, aber dafür mehr Großbetriebe: Der Strukturwandel in der Landwirtschaft in Baden-Württemberg ist in den vergangenen zehn Jahren weiter vorangeschritten. Zu diesem Befund kommt das Statistische Bundesamt, das am Donnerstag die Ergebnisse der neuen Landwirtschaftszählung präsentierte. Demnach gab es zum Stichtag 1. März 2020 im Südwesten nur noch 39 400 Agrarbetriebe mit einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 36 Hektar in denen knapp 140 000 Personen beschäftigt waren. Vor zehn Jahren waren es noch 44 500 Agrarbetriebe die durchschnittlich 32 Hektar bewirtschafteten und 190 000 Personen beschäftigten. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche stieg in diesem Zeitraum um 0,7 Prozent auf 1,4 Millionen Hektar. Basis der Daten sind Erhebungen unter rund 265 000 Landwirtinnen und Landwirte in Deutschland, die alle zehn Jahre detailliert Auskunft über ihre Betriebe geben. Die letzte Zählung hatte es im Jahr 2010 gegeben. Auch damals war die Zahl der Landwirtschaftsbetriebe rückläufig – allerdings in einem deutlich größerem Ausmaß.
Vor allem in der Tierhaltung haben viele Betriebe im Südwesten in den vergangenen Jahren aufgegeben. So waren von den gut 10 800 Milcherzeugern vor zehn Jahren im Jahr 2020 nur noch 6200 aktiv. Das entspricht einem Minus von 42 Prozent. Bei den schweinehaltenden Betrieben hat im gleichen Zeitraum sogar mehr als jeder zweite (54 Prozent) die Stalltore geschlossen. Da vorwiegend kleinere Betriebe vom Markt verschwanden, sind die Auswirkungen auf die Viehbestände weniger markant.
Die Zahlen in der Tierhaltung stehen stellvertretend für die Krise in der Branche – hervorgerufen etwa durch Billigpreise für Lebensmittel. Immer mehr Bauern sehen sich in Existenznot und klagen über zu geringe Erzeugerpreise und ein aus ihrer Sicht unfaires Gebaren der großen Einzelhandelsketten. Ende 2020 war es daher zu einigen größeren Demonstrationen von Landwirten vor Aldi-Zentrallagern gekommen, die von der Bauernprotestbewegung „Land schafft Verbindung“organisiert wurden.
Auch der Deutsche Bauernverband sieht das Fass vorm Überlaufen. „Die Situation ist für viele Betriebe in Baden-Württemberg äußerst schwierig. Der Lebensmitteleinzelhandel hingegen hat ein sattes Umsatzplus erzielt. Hier wird gerade viel Geld auf dem Rücken der Bauern verdient“, sagte Joachim Rukwied, Präsident des Landesbauernverbandes BadenWürttemberg und Chef des Deutschen
Bauernverbandes (DBV) im Vorfeld der Grünen Woche der „Schwäbischen Zeitung“.
Umweltschützer mahnen beim Umbau der Landwirtschaft hin zu mehr Natur-, Tier- und Klimaschutz hingegen mehr Tempo an. In BadenWürttemberg etwa wirtschaften aktuell gut elf Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe (4500) nach ökologischen Kriterien – fast 50 Prozent mehr als noch vor zehn Jahren. Der Bauernverband betonte vor diesem Hintergrund den Widerspruch „zwischen dem gesellschaftlichen Verlangen nach mehr Ökologie und Tierwohl einerseits“und „der häufig fehlenden Bereitschaft der Verbraucher, im Laden dafür mehr zu bezahlen“andererseits. Diesen Widerspruch aufzulösen werde „eine der großen Herausforderungen“für die kommenden Jahre sein.