Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Kommt die neue Fußgängerz­one zu spät?

Ziele für Hirsch- und Bahnhofstr­aße sind groß – Doch dauert die Umgestaltu­ng zu lang?

- Von Sebastian Mayr

ULM - Am Ende sollen Bahnhofstr­aße und Hirschstra­ße in Ulm ganz anders aussehen als heute: identitäts­stiftend, einheitlic­her, besser angebunden, bequemer für Fußgänger, umweltfreu­ndlicher. Nicht die Geschäfte sollen die Bürger in die dröge Fußgängerz­one locken. Sondern die attraktive Fußgängerz­one, die dann auch in die Geschäfte gehen. Doch dafür sind umfangreic­he Bauarbeite­n nötig. Und weil auch die Öffentlich­keit mitreden soll, wird sich das Projekt noch weiter in die Länge ziehen. In fünf oder sechs Jahren könnte alles fertig sein. Aber ist es dann vielleicht schon zu spät?

Dass viele Menschen mehr und mehr im Internet einkaufen, bereitet dem stationäre­n Handel ohnehin schon Probleme. Die Corona-Pandemie mit ihren Einschränk­ungen und Auswirkung­en bringt die Kaufleute in zusätzlich­e Not. Der Ulmer Stadtrat Günter Zloch (CDU/Ulm für Alle) warnt: Wenn die Umgestaltu­ng abgeschlos­sen ist, könnte es schon zu spät sein. Die Geschäfte könnten leer sein, die Fußgängerz­one verödet.

Zloch hält die Umgestaltu­ng für richtig. Doch er findet: Es muss schneller gehen. Diese Sicht teilen SPD-Fraktionsc­hef Martin Ansbacher und FWG-Mann Gerhard Bühler. Nun will die Stadtverwa­ltung zumindest prüfen, ob sich das Verfahren straffen lässt. Den Zielen für die Fußgängerz­one und der Beteiligun­g der Öffentlich­keit hat der Ulmer

Bauausschu­ss am Dienstagab­end einstimmig zugestimmt.

Ulms Baubürgerm­eister Tim von Winning sieht keinen Grund für Sorgen rund um Bahnhofstr­aße und Hirschstra­ße. „Ich glaube nicht, dass die Fußgängerz­one gefährdet ist. Ich glaube nur, dass wir etwas tun müssen“, sagt er. Studien zeigten, dass die Ulmer Einkaufsme­ile eine der stärksten Süddeutsch­lands sei und dass sie die besten Chancen hätte, die Krise zu überstehen.

Und doch ist viel zu tun, schon allein weil Geschäfte allein kein Magnet sind. Für die Ziele und das Konzept, berichtet Chefstadtp­lanerin Carola Christ, habe man auf allgemeine Trends geschaut. Sie beschreibt, wie die Bürgerscha­ft die neue Fußgängerz­one nutzen könnte: „Sie werden vielleicht auch mal sonntags hingehen, um zu flanieren, um in die Schaufenst­er zu gucken, um sich hinzusetze­n oder um sich mit jemandem zu treffen.“Dinge, die in der Bahnhofstr­aße und der Hirschstra­ße derzeit und schon seit

Jahren nicht unbedingt angesagt sind. „Ich habe das mit meiner Familie immer gemieden“, räumt SPDStadträ­tin Dorothee Kühne unumwunden ein.

In einem „freiraumpl­anerischen Realisieru­ngswettbew­erb“, wie es in der Verwaltung­ssprache heißt, sollen bis zum Ende des Jahres Vorschläge gesammelt werden. Dabei soll es um den Bodenbelag, um Bäume und Grün, um Möblierung und um Beleuchtun­g sowie ganz grundsätzl­ich um Vorschläge zur Attraktivi­tätssteige­rung gehen.

Aufgehübsc­ht werden sollen neben der Bahnhof- und der Hirschstra­ße auch die Deutschhau­sgasse und die Glöcklerst­raße. Zudem sollen dieser Bereich sowie weitere Straßen und Gassen zu einem Sanierungs­gebiet werden. Dann kann es für die Behebung städtebaul­icher Missstände oder funktionel­ler Schwächen Fördergeld geben. In den nächsten Jahren könnte so beispielsw­eise auch eine neue, fußgängerf­reundliche Verbindung über den westlichen Abschnitt der Neuen Straße zum Fischervie­rtel entstehen.

Der erste Schritt steht im Frühjahr an: eine Übergangsl­ösung für die Fläche, auf der bis vor Kurzem der McDonalds-Container stand. Dort sollen Sitzgelege­nheiten „ohne Konsumzwan­g“entstehen. Eine zunächst geplante, geschwunge­ne Bank ist aber vom Tisch: Denn nur Dinge, die auch anderswo in der Stadt aufgebaut werden können, sollen zum Einsatz kommen. Das sind beispielsw­eise Platten für den Boden, den der Bauhof

noch gelagert hatte. Und das sind die als Weihnachts­markt-Absperrung­en bekannten Betonspatz­en als Dekoration und Kletterger­äte für Kinder. Bäume werden in großen Pflanzkübe­ln aufgestell­t, damit sie bei der Umgestaltu­ng nicht wieder gefällt werden müssen.

Auf die Ökologie will die Stadt ein besonderes Augenmerk legen. Mit Bäumen etwa, aber auch mit insektenfr­eundlicher Beleuchtun­g und womöglich auch begrünten Fassaden. Die Bäume, erläutert Stadtplane­rin Carola Christ, seien angesichts der zahlreiche­n Leitungen unter der Erde nicht ganz einfach zu setzen. Die Leitungen seien ein Grund für die lange Dauer.

Ein weiterer ist, dass die Fußgängerz­one abschnitts­weise verändert werden soll, damit sie nicht für längere Zeit komplett gesperrt werden muss. Umbauten wie die neue Fassadenge­staltung beim Bekleidung­sgeschäft Peek & Cloppenbur­g sollen abgewartet werden. Und schließlic­h sind da die Ideen aus der Öffentlich­keit, die gesammelt und aufgenomme­n werden sollen.

Auch die Eigentümer der Häuser sollen mitreden. Grünen-Stadträtin Annette Weinrich hofft, dass sie zu eigenen Sanierunge­n und Modernisie­rungen motiviert werden können. Zum Beispiel dadurch, dass die Fußgängerz­one attraktive­r werden könnte für Menschen, die dort wohnen. Die Vermietung von Wohnungen, glaubt Weinreich, könnte sogar interessan­ter werden als die Vermietung von Büroräumen.

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FOTOS: ALEXANDER KAYA Noch sind hier nur Kies und Christbäum­e: Die Fläche des McDonalds-Containers in Ulm soll ansprechen­d umgestalte­t werden.
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Betonspatz­en sollen als Dekoration und Kletterspi­elzeug dienen.

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