Mit Eisenmann zum nächsten Tiefpunkt
CDU rutscht nach 2016 weiter ab – Parteichef Strobl verhandelt für die Partei mit den Grünen
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STUTTGART - Als am Sonntagabend die ersten Hochrechnungen über die Bildschirme laufen, stehen an den Stehtischen der CDU im Landtag vor allem Journalisten. Während der Prozentbalken der Grünen aufsteigt, lassen sich die Spitzenpolitiker der CDU im Land Zeit mit ihren Auftritten. Für sie schwindet in diesen Minuten die Hoffnung, dass sich die Menschen im Wahllokal spontan doch noch für ihre Partei entschieden haben. Mit laut Hochrechnungen 23,8 Prozent landen die Christdemokraten am Ende noch mehr als drei Prozent unter dem historisch schlechten Ergebnis von 2016, bei dem sie erstmals von den Grünen auf den zweiten Platz verwiesen wurden.
„Dieses Wahlergebnis ist eine große Enttäuschung für die CDU Baden-Württemberg. Wir hatten andere Erwartungen“, sagt Landeschef Thomas Strobl später. Generalsekretär Manuel Hagel nennt die Zahlen „desaströs“. Doch wirklich überrascht wirken die Spitzenpolitiker der CDU an diesem Abend nicht. Es habe sich abgezeichnet, sagt Strobl. Aber es gebe keinen Grund für
Schuldzuweisungen. „Für die CDU ist das ein enttäuschendes und desaströses Ergebnis“, sagt auch Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann und kündigt an, fortan keine führende Rolle in der Partei übernehmen zu wollen. „Wenn man als CDU ein solches Ergebnis bekommt, muss jemand Verantwortung übernehmen. Und das tue ich.“
Erhobenen Hauptes beantwortet sie die Fragen der Journalisten. Die Enttäuschung lässt sie sich nicht anmerken, verweist stattdessen lieber auf die Zeit vor ihrer Spitzenkandidatur: „Wir müssen jetzt schauen, wie es dazu kommen konnte, dass wir über zehn Jahre kontinuierlich Stimmen verloren haben.“
Doch auch wenn das an diesem Abend so deutlich niemand sagen will, gaben ihr zuletzt auch einige Parteikollegen hinter vorgehaltener Hand die Schuld an den schlechten Umfragewerten. Bei Eisenmanns Kür zur Spitzenkandidatin im Sommer 2019 ruhte noch die ganze Hoffnung der gebeutelten Südwest-CDU auf ihr – Eisenmann sollte die Partei in Baden-Württemberg zu alter Stärke führen. Aber es gelang ihr nicht, sich aus dem Schatten des übermächtigen und beliebten Regierungschefs Winfried Kretschmann freizustrampeln. Im Wahlkampf setzte die CDU vor allem auf eine moderne Wirtschaft, innere Sicherheit und die Stärkung von Familien. Eisenmann gab sich in den Wochen vor der Wahl angriffslustig, kritisierte Kretschmanns Kurs in der Pandemie und kämpfte für eine Öffnung der Schulen. Doch in der öffentlichen Wahrnehmung wurde der Kultusministerin vor allem ein schlechtes Krisenmanagement angekreidet, Versäumnisse in der Digitalisierung fielen ihr auf die Füße. Seit Monaten hagelt es Kritik von Schülern, Eltern und Lehrern wegen des diffusen Kurses zwischen Öffnungsversprechen und fehlenden Konzepten. Im Endspurt verhagelte ihr dann auch noch die Maskenaffäre den Wahlkampf. „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu“, sagt Staatssekretärin
Friedlinde Gurr-Hirsch mit Blick auf die Maskenaffäre.
Die Abgeordneten, die den Wahlabend im Landtag verbringen, starren ungläubig auf die Ergebnisse auf ihre Smartphones, auf denen sich abzeichnet, wie groß die Niederlage für die CDU tatsächlich ist: Die Spitzenkandidatin selbst verlor ihren Wahlkreis deutlich. Und selbst sicher geglaubte Direktmandate gehen an die Grünen. Im tiefschwarzen Wahlkreis Wangen etwa, im Jahr 2016 noch eine feste Bank für den CDUKandidaten Raimund Haser, rutscht die Partei auf gut 30 Prozent. Die Grünen-Abgeordnete Petra Krebs hat ihn um einen knappen Prozentpunkt überholt. Vor fünf Jahren war sie die einzige bei den Grünen, die über das Zweitmandat in den Stuttgarter Landtag eingezogen war.
Für die CDU ist der Druck jetzt groß. Ein „Weiter so“, das betonen fast alle, soll es nach dieser Niederlage
nicht geben. „Wir brauchen Erneuerung – personell und was die Ideen angeht“, sagt etwa der Aalener Abgeordnete Winfried Mack. Der einst so mächtigen Südwest-CDU droht ein Machtkampf um die zukünftige Aufstellung. Und offenbar soll keine Zeit verschwendet werden: Schon am Montagvormittag will sich Wolfgang Reinhart von der Fraktion erneut zum Chef wählen lassen. Die erste Fassung der Tagesordnung hatte dabei bei einigen Fraktionsmitgliedern für Stirnrunzeln gesorgt. Denn die hatte nur einen einzigen Tagesordnungspunkt: die Wahl des neuen Fraktionsvorsitzenden. Das heißt: Zuerst soll Reinhart wiedergewählt werden, erst danach wird über die Wahl gesprochen.„Das hat mich sehr überrascht“, sagt dazu etwa Agrarminister Peter Hauk. „Und ich bin jetzt doch schon ein paar Jahre im Landtag und habe ein paar Wahlen mitgemacht.“
Doch neben Wolfgang Reinhart könnten sich auch andere Kandidaten in Stellung bringen. Im Gespräch ist etwa Manuel Hagel aus Ehingen. Momentan ist der 32-Jährige noch Generalsekretär der Südwest-CDU. An der Spitze der Fraktion würde er für die Erneuerung stehen. Das Problem: Als Generalsekretär ist er traditionell für die Wahlkampagne zuständig – und könnte deshalb selbst für das Wahlergebnis zur Verantwortung gezogen werden.
Und bei allen internen Diskussionen will die CDU gleichzeitig versuchen, in der Regierung zu bleiben. Vor allem eine Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP soll um jeden Preis verhindert werden. Denn die würde bedeuten, dass die CDU in der Opposition landet und eine weitere Verzwergung fürchten muss. Außerdem säße sie dann direkt neben der AfD auf der Oppositionsbank und müsste im Kampf um Aufmerksamkeit ausgerechnet mit den Rechtspopulisten um die Wette schreien.
Die CDU wird deshalb mit aller Kraft für eine Neuauflage des grünschwarzen Bündnisses werben. Sie setzt dabei auf Landeschef Thomas Strobl, der gut mit Kretschmann kann. „Es ist ein desaströses Ergebnis. Da gibt es nichts zu beschönigen“, sagt Generalsekretär Manuel Hagel. „Aber wir tragen es mit Haltung und Fassung. Das Land steckt mitten in der Pandemie. Es geht jetzt um Kontinuität.“
„Wenn man als CDU ein solches Ergebnis bekommt, muss jemand Verantwortung übernehmen. Und das tue ich.“Susanne Eisenmann