Liberale legen kräftig zu
FDP erzielt bestes Wahlergebnis seit Jahrzehnten – Bereit für Regierungsbündnis
●
STUTTGART - Zumindest rhetorisch ließ die FDP am Sonntagabend die Sektkorken knallen. „Wir sind der Wahlsieger, darauf würde ich schon zuerst mal hinweisen“, sagte der Liberale Hans-Ulrich Rülke in der Runde der Spitzenkandidaten im SWR. Die FDP erreichte laut Hochrechnungen mit 10,4 Prozent das beste Ergebnis seit 1968.
„Unser Anspruch, in BadenWürttemberg mitzuregieren, wurde von der Bevölkerung honoriert“, sagte Rülke. „Die Baden-Württembergerinnen und Baden-Württemberger wollen die FDP wieder in der Regierung sehen.“Dazu könnte es tatsächlich kommen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte am Abend an, Gespräche mit CDU, SPD und eben mit den Liberalen zu führen. Diese könnten als kleinster Partner in einer Ampelkoalition mitregieren – wenn es nicht zu einer Fortführung des schwarz-grünen Bündnisses oder gar zu einer Neuauflage des grün-roten Bündnisses von 2011 kommt.
„Dann muss es aber auch um die richtigen Inhalte gehen“, sagte Rülke. Im Wahlkampf hatte die FDP vor allem betont, es müsse eine Zukunft für Verbrennungsmotoren geben und keine einseitige Bevorzugung der batteriegetriebenen E-Mobilität. Stattdessen müssten etwa Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe ebenso gefördert und erforscht werden. FDP-Landeschef Michael Theurer betonte, die Südwest-Liberalen seien zu Gesprächen und zum Mitregieren bereit. „Ich werde in unseren Gremien vorschlagen, diese Gespräche ergebnisoffen zu führen. Denn wir wollen ja was bewegen für Bildung, für Innovation, für Digitalisierung und vor allen Dingen für die mittelständische Wirtschaft, die wieder auf die Beine kommen muss“, sagte er am Sonntagabend. Dabei galten Rülke und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nicht eben als gute Freunde. Der rhetorisch gewandte, oft auch sehr scharf attackierende Rülke und der eher auf die großen Linien bedachte Kretschmann, das passte einfach nicht. Nach den Wahlen 2016 wollte die FDP außerdem nicht den Eindruck erwecken, sie regiere mit jedem, egal um welchen Preis. Landeschef Michael Theurer, damals schon Befürworter eines Bündnisses mit Grünen und SPD, wurde flugs mit dem Versprechen beruhigt, als Südwest-Spitzenkandidat in die Bundestagswahl ziehen zu dürfen. Doch bereits früh im Wahlkampf gaben Rülke und Theurer diesmal unisono das Ziel aus, mitzuregieren, auch mit den Grünen und Kretschmann. Im Sommer favorisierte Rülke beim Landesparteitag zwar noch eine Deutschlandkoalition mit CDU und SPD. Doch je schlechter die Werte der CDU, desto klarer wurde auch Rülke, dass es dazu wohl nicht kommt.
Auch die Grünen flirteten bereits mit den Liberalen. Trotz aller neu entdeckten Nähe brachten führende Grüne die anhaltende Skepsis Rülke gegenüber so zum Ausdruck: „Die liberale Braut macht sich hübsch für die Hochzeit, aber wenn man den Schleier hebt, ist darunter immer noch Hans-Ulrich Rülke.“Nun werden die kommenden Tage zeigen, ob die Braut den Grünen attraktiv und vor allem fügsam genug ist.