Wie Seuchen auf die Weltgeschichte Einfluss nehmen
Professor Ole Sparenberg referiert im Auftrag der Volkshochschule zum historischen Umgang mit Krankheiten
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EHINGEN - „Seuchen schreiben Weltgeschichte“hat Professor Ole Sparenberg seinen Vortrag betitelt, den er im Auftrag der Ehinger Volkshochschule und Volkshochschule Böblingen online vor rund 90 Teilnehmern aus ganz Deutschland bis hin in die Uckermark und nach Greifswald gehalten hat.
Sparenberg, der studierter Historiker und Politologe ist und an der Universität Karlsruhe lehrt, sieht den Anfang von sich epidemisch ausbreitenden Krankheiten im Beginn der Sesshaftigkeit der Menschen, der Haltung von Nutztieren, dem Fernhandel und Fernreisen.
So sei die Pest 1347 von Asien per Schiff nach Europa gekommen und sei zuerst in Genua ausgebrochen. Rattenflöhe übertrugen den Erreger auf Menschen. Städte waren bis ins
19. Jahrhundert ungesunde Lebensräume für den Menschen, allein durch die Wasserversorgung und mangelnde Entsorgung von Fäkalien. „Früher isolierte Populationen wurden vereinigt“, sagte Sparenberg. Aber auch bäuerliches Leben barg Gefahren. „Erreger kamen von Haustieren, die in enger Gemeinschaft mit den Menschen lebten. Masern wurden ebenso wie Tuberkulose über das Rind übertragen, die Grippe von Schweinen und Enten, Keuchhusten von Schweinen und Hunden. Malaria-Überträger war das Geflügel.“
Der großen Pestepidemie, man unterscheidet zwischen Beulenpest und Lungenpest, fielen 50 Prozent der ganzen Bevölkerung Italiens zum Opfer, in ganz Europa starb ein Drittel der Menschen. Auffällig ist aber auch, dass Städte wie Mailand oder Köln kaum unter der Pest litten. Wahrscheinlich weil man dort schon damals zu gängigen Maßnahmen wie Quarantäne griff und die Kranken außerhalb der Stadt in Zelten unterbrachte wie in Mailand.
Judenpogrome wurden mehr, man gab ihnen die Schuld an der Pest. Die Mongolen auf ihren Zügen nach Europa werden heute weniger als Verursacher gesehen, sie hatten ihre Futterstationen, die Ratten blieben dort. Aber die Handelsschifffahrt hatte im
14. Jahrhundert große Fortschritte gemacht, die ärmere Bevölkerung war durch Hungersnöte geschwächt. Die erste Welle endete nach vier Jahren, die Pest kehrte aber immer wieder in die Hafenstädte nach Europa zurück, der letzte Ausbruch war 1720 in Marseille.
Die Folge der ersten Pestepidemie war, dass Überlebende mehr Land und Güter erbten, Arbeitskräfte knapp wurden und Äcker und Dörfer verödeten.
Ab dem Ende des 15. Jahrhunderts mussten in Hafenstädten anlandende Schiffe für 40 Tage in Quarantäne. Mit den spanischen Eroberern kamen von 1492 an Tiere, Pflanzen und Mikroben nach Amerika. Nur so ist es zu erklären, so Sparenberg, dass die großen bevölkerten Reiche von nur wenigen spanischen Eroberern unterworfen wurden. Epidemien spielten dabei eine entscheidende Rolle. „Pocken, Masern, Grippe löschten Kulturen dort dramatisch aus“, erklärte Sparenberg. Vorher hatten die Ureinwohner keinerlei Kontakt zu diesen Krankheiten, 95 Prozent der einheimischen Bevölkerung fiel ihnen zum Opfer. Es gab aber keinerlei Übertragung von Krankheiten von Amerikanern auf Europäer. Die Ureinwohner waren so empfänglich für die fremden Krankheiten, weil die einzelnen Völker sehr isoliert lebten und wenig Haustiere hielten.
Die Seuchen des 19. Jahrhunderts waren epidemische Tropenkrankheiten und bildeten ein Hindernis für den europäischen Imperialismus, es waren Fleckfieber, Pocken, Cholera und Grippe. Schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts hatte es erste Pockenimpfungen gegeben, seit Ende des 19. Jahrhunderts besteht eine Impfpflicht. Die Cholera kam ab 1832 aus Indien nach Deutschland und wütete vor allem in Hamburg, übertragen wurde sie über verseuchtes Wasser. Auch die Grippe nahm stark zu, begünstigt vom schnellen Wachstum der Städte durch die Industrialisierung. Die sogenannte Spanische Grippe 1918 forderte mehr Opfer als der Erste Weltkrieg. Sie kam diesmal durch amerikanische Soldaten nach Europa.
„Fazit: Epidemien sind ständige Begleiter der Menschheit, seit es Landwirtschaft, Städte und Verkehrsverbindungen gibt und haben oft in Südostasien ihren Ausgangspunkt. Immerhin stehen wir heute Epidemien weniger wehrlos gegenüber“, resümierte Sparenberg. Auch SarsCov-2 habe Vorläufer gehabt, so der Referent. Er meinte auch, dass die Masken, wie man sie früher bei Asiaten belächelt habe, uns weiter begleiten werden, auch Tropenkrankheiten könnten zunehmen. „Die Stärke der heutigen Gesellschaft liegt im Umgang mit diesen Krankheiten. Todeszahlen, wie wir sie durch Corona haben, wären früher keinem aufgefallen“, sagte Sparenberg.