„Frauen sind im Schnitt risikoscheuer“
Professorin Alexandra Niessen-Ruenzi über geschlechterspezifisches Anlageverhalten
BERLIN - Am deutschen Aktienmarkt gibt es einiges Gefälle. Zum Beispiel beim Alter der Aktionäre: Der Otto-Normal-Anleger ist zwischen 40 und 60 Jahren alt. Auch zwischen den Geschlechtern gibt es einen erheblichen Unterschied, was das Interesse an Finanzen und Aktien angeht, der Gender-InvestmentGap genannt wird. Die Finanzprofessorin Alexandra Niessen-Ruenzi von der Universität Mannheim forscht dazu.
Was genau ist der Gender-Investment-Gap?
Es geht um das unterschiedliche Anlageverhalten von Männern und Frauen. Frauen legen weniger Geld an und scheuen mehr vor dem Aktienmarkt zurück. Man kann ungefähr sagen: Auf eine Frau, die am Aktienmarkt investiert, kommen zwei Männer.
Woran liegt das?
Frauen sind im Schnitt risikoscheuer.
Sie haben mehr Angst als Männer, am Aktienmarkt Verluste zu erleiden. Das GenderInvestment-Gap ist auch Resultat des Gender-PayGap – Frauen haben einfach weniger Geld, das sie anlegen können. Und der letzte Hauptgrund ist: Frauen wissen, dass sie ein kleineres Fachwissen haben. Tests zu Finanzmarktwissen haben gezeigt, dass es bei Frauen wesentlich geringer ist als bei Männern. Das lässt sie zusätzlich zurückschrecken.
Wie könnten mögliche Lösungen aussehen?
Ein Punkt, den ich stark vertrete, ist, dass die Vermittlung von Finanzmarktwissen Teil des Bildungssystems sein sollte. Frauen sollten viel früher mit dem Thema in Berührung kommen. Zuhause beschäftigen sich die Eltern bei Mädchen weniger mit Finanzmarktfragen. Die werden mehr mit Jungs besprochen. Wenn Frauen dann selbst weder Interesse an dem Thema mitbringen noch über soziale Kontakte damit in Berührung kommen, haben sie bis zum Erwachsenenalter nie mit den Themen Finanzmärkte und Investitionsverhalten Kontakt.
Was ist mit der jetzigen Generation? Da ist viel Aufklärungsarbeit gefragt. Es müsste mehr auf Frauen zugeschnittene Finanzmarktworkshops geben. Studien zeigen, dass Frauen es sehr schätzen, sich im geschützten Raum mit diesen Themen auseinanderzusetzen. Außerdem gibt es einen Umbruch in der Finanzindustrie. Frauen werden als eigene Kundengruppe erkannt, nicht mehr nur als Anhängsel vom Ehemann. Und es werden Kommunikationskonzepte entwickelt, um Frauen an die Finanzmärkte heranzuführen.