„Über Habeck schwebt Melancholie“
Imageberaterin Sabine Schwind von Egelstein über den Umgang des grünen Co-Chefs mit seiner Gefühlswelt
BERLIN - Einen „bittersüßen Moment“nannte Robert Habeck die Entscheidung, dass Annalena Baerbock und nicht er die Grünen an der Spitze in den Wahlkampf führt. Die Imageberaterin Sabine Schwind von Egelstein findet, dass das ein falsches Signal sendet. Dominik Guggemos hat sie befragt.
Sie sind Imageberaterin für Führungskräfte. Zu was für einer Kommunikationsstrategie hätten Sie Robert Habeck geraten, als klar war, dass er Annelena Baerbock den Vortritt überlässt?
Die Situation hatte für die Grünen zwei Elemente, es ging um Mann und Frau und Gewinner und Verlierer. Da passt es nicht ins Bild, wenn der Verlierer so intensiv über seine Emotionen spricht. Geschickter wäre es gewesen, den gemeinsamen Beschluss in den Vordergrund zu rücken.
Habeck sprach im „Zeit“-Interview von einem „bittersüßen Moment“. Trifft er damit den richtigen Ton?
Dass das in die Überschrift kommt, musste Habeck als Profi wissen. Es ist verständlich, dass er nicht glücklich ist und daran knabbert. Dass er, der Unterlegene, nicht Juhu schreit, kann jeder verstehen. Aber das Unterliegen so sehr in den Fokus zu rücken, halte ich für unglücklich.
Es sei der schmerzhafteste Tag in seiner politischen Laufbahn gewesen, gesteht Habeck. Wie viel Ehrlichkeit kann man sich als Politiker erlauben, wenn manche politischen Gegner oder Journalisten jedes Wort auf die Goldwaage legen? Die Empfindungen zu haben ist völlig in Ordnung und sicher auch real. Man nimmt ihm ab, dass er komplett hinter Baerbock steht. Aber sich öffentlich die Wunden zu lecken ist ja eine Einladung für Medien und Gegner, herumzubohren.
Ist das nicht einfach authentisch? Es wäre verkehrt gewesen zu sagen: Das macht mir überhaupt nichts aus. Aber über dem Interview schwebt Melancholie. Nach außen wäre es besser gewesen, das Positive in den Vordergrund zu stellen, die Freude darüber, dass die Grünen so gut dastehen. Die Frage, die er sich als Politiker stellen muss, ist doch: Von was rede ich mehr?
Habeck spricht offen darüber, dass er als Bundespolitiker über Äußerlichkeiten definiert wurde. Denkt sich die Imageberaterin da: Willkommen im Club?
Nun ja. Frauen werden häufig auf ihr Äußeres reduziert, aber auch bei
Männern ist in der Wahrnehmung der erste Eindruck sehr wichtig – und der ist nun einmal äußerlich. Habeck geht damit aber aus meiner Sicht authentisch um.
Baerbock sagte, dass „Emanzipation“eine Rolle bei der Entscheidung gespielt hätte. Zieht der moderne Mann also zurück?
Ich würde sagen: Der emanzipierte Mann kann zurückziehen, er muss nicht mehr nach vorne preschen, wie es dem früheren Stereotyp entsprach. Der traditionelle Mann könnte vielleicht gar nicht zurückziehen, ohne zumindest zu betonen, dass er es eigentlich besser könnte.
Die Grünen ziehen sehr geeint in den Wahlkampf. Für wie entscheidend halten Sie das?
Sehr entscheidend. Gerade in solchen unsicheren Zeiten möchten die Menschen jemand an der Spitze, der ihnen Sicherheit gibt. Laschet und Söder wurde vorgeworfen, dass sie so sehr mit streiten beschäftigt waren, dass sie sich gar nicht mehr auf Probleme konzentrieren konnten. Die Grünen tragen ihre Differenzen hinter verschlossenen Türen aus. So soll es auch sein, nicht nur in der Politik. Auch in der Erziehung oder in der Firma ist es völlig in Ordnung, unterschiedlicher Meinung zu sein, aber doch nicht vor dem Kind oder vor dem Kunden.