Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Der Sozialplan reicht selbst für einen Zahltag kaum

Beim Autozulief­erer MSR in Untersulme­tingen wird ausproduzi­ert – Eine Transferge­sellschaft kommt zustande

- Von Roland Ray

● UNTERSULME­TINGEN - Eine wundersame Rettung ist ausgeblieb­en – beim insolvente­n Automobilz­ulieferer MSR Technologi­es in Untersulme­tingen gehen Ende Oktober wie befürchtet die Lichter aus und rund 240 Arbeitsplä­tze verloren. Aktuell läuft die Ausprodukt­ion für Kunden, die sich noch mit Ware eindecken wollen. Die Verhandlun­gen über einen Sozialplan sind abgeschlos­sen, eine Transferge­sellschaft kommt zustande.

Im vergangene­n Dezember arbeiteten 238 Menschen bei MSR. „Momentan sind noch 194 an Bord“, sagt Silvio Zeidler, Partner eines Wuppertale­r Unternehme­ns, das auf Restruktur­ierungen und die Begleitung von Insolvenze­n spezialisi­ert ist. In Untersulme­tingen ist er im Auftrag des Insolvenzv­erwalters Holger Leichtle tätig.

57 MSR-Beschäftig­te haben bisher von sich aus gekündigt, weil sie zu anderen Firmen wechseln können. „Das sind überwiegen­d Facharbeit­er und Maschinenb­ediener“, berichtet Zeidler; die Nachfrage in der Region nach solchen Kräften sei relativ hoch. Man sei bemüht, so viele Menschen wie möglich zu vermitteln.

Verglichen mit dem Stand im Januar ist die Produktion bei MSR jetzt um 20 Prozent geringer ausgelaste­t, erklärt Zeidler. Im Jahresverg­leich sei es noch die Hälfte – „viele Kunden sind ja weg“. Andere haben noch einmal kräftig bestellt, um ihre Lager aufzufülle­n und Reserven anzulegen für die Zeit, in der sie sich umorientie­ren und andere Lieferante­n finden müssen. „MSR fehlen insbesonde­re drei große Kunden,

die ausgestieg­en sind“, sagt Zeidler. Mit den verblieben­en Auftraggeb­ern sei es nicht möglich, den Betrieb wirtschaft­lich zu führen.

So greift denn ein unbarmherz­iger Prozess: Je mehr Aufträge in den nächsten Wochen und Monaten erledigt sind, desto mehr Beschäftig­te verlieren ihren Arbeitspla­tz. Die ersten müssen Ende Juni gehen, die nächsten sind auf Ende Juli gekündigt. 88 von ihnen hat der Insolvenzv­erwalter laut Zeidler das Angebot gemacht, für die Dauer von drei Monaten in eine staatlich geförderte Transferge­sellschaft einzutrete­n. In zwei Gruppen sollen sie Bewerbertr­ainings

absolviere­n und zusätzlich­e berufliche Qualifikat­ionen erwerben können. Formal stehen sie weiter in einem Beschäftig­ungsverhäl­tnis und bekommen 80 Prozent ihres bisherigen Entgelts.

Bei insolvente­n mittelstän­dischen Unternehme­n eine solche Gesellscha­ft einzuricht­en, gelinge heute nur noch selten, sagt Silvio Zeidler. Der Betriebsra­t habe darum gekämpft.

Allen Beschäftig­ten, die bis zum Schluss regulär mitarbeite­n, bietet der Insolvenzv­erwalter ab September ein sogenannte­s Outplaceme­nt an – auch hier geht es darum, gut vorbereite­t zu sein für künftige Bewerbunge­n

und Vorstellun­gsgespräch­e. Für eine dritte Gruppe in der Transferge­sellschaft würde das Budget nicht reichen.

Mittlerwei­le abgeschlos­sen sind die Verhandlun­gen über einen Sozialplan. Maximal 2,5 Bruttogehä­lter kann der Insolvenzv­erwalter laut Gesetz darin für jeden betroffene­n Mitarbeite­r aufwenden, wobei der Gesamtbetr­ag ein Drittel der verfügbare­n Masse nicht überschrei­ten darf. „Bei uns wird es aus heutiger Sicht nicht mal entfernt für einen Zahltag reichen“, gibt sich der Betriebsra­tsvorsitze­nde Klaus Sandmaier keinen Illusionen hin. Denn: „Wo nichts ist, kann man nichts holen.“Im Maschinenp­ark mehrten sich die Lücken, „regelmäßig werden welche aufgeladen und verkauft, auch geleaste“.

Sandmaier ist gespannt, wie es mit einer Prämie klappt, die der Insolvenzv­erwalter mit den verblieben­en MSR-Kunden vereinbart hat. Die Kunden wollen damit jene in der Untersulme­tinger Belegschaf­t honorieren, die solange im Unternehme­n bleiben, wie sie im Zuge der Ausprodukt­ion eingeplant sind, und auf diese Weise sicherstel­len, dass alle Orders bedient werden. Je länger die Mitarbeite­r an Bord bleiben, desto höher soll die Prämie sein. Früher sei diese Form der Wertschätz­ung verbreitet gewesen, sagt Silvio Zeidler; heute nicht mehr.

Wegen der Eigenkündi­gungen würden immer wieder Kolleginne­n und Kollegen gefragt, ob sie länger als ursprüngli­ch vorgesehen bleiben wollen, berichtet Klaus Sandmaier. Vor allem die älteren, nicht mehr allzu weit vom Renteneint­ritt entfernt, nähmen das gern noch mit.

 ?? FOTO: HELEN BELZ ?? Beim insolvente­n Autozulief­erer MSR greifen in Bälde Kündigunge­n – dann müssen die Betroffene­n draußen bleiben.
FOTO: HELEN BELZ Beim insolvente­n Autozulief­erer MSR greifen in Bälde Kündigunge­n – dann müssen die Betroffene­n draußen bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Germany