Der Dritte im Bunde
Für den neuen Q4 e-tron nutzt Audi erstmals den Modularen E-Antriebs-Baukasten des VW-Konzerns
● elernt ist gelernt: Nachdem der VW-Konzern in der alten Welt der Verbrenner meisterhaft seine Kompakten aus dem Modularen Querbaukasten über alle Marken verteilt hat, wiederholen die Niedersachsen dieses Erfolgsmodell mit dem sogenannten Modularen EAntriebs-Baukasten (MEB) nun auch in der neuen Welt der Akku-Autos. Nach der Muttermarke und Skoda darf als nächstes Audi ran.
Im Sommer bringen die Bayern als Dritten im Bunde der kompakten SUV unter Strom neben VW ID4 und Skoda Enyaq für Preise ab 41 900 Euro den Q4 e-tron in Stellung. Der startet gleich doppelt durch: Nach einem konventionell geschnittenen Q4 im Juni folgt ein paar Wochen später für 2000 Euro Aufschlag auch ein Sportback mit schrägem Heck.
Knapp 4,60 Meter lang, ist der Q4 auf Anhieb als Elektroauto und als Audi einer neuen Ära zu erkennen, bleibt aber so nah am Gewohnten, dass er niemanden verschreckt und den Wechsel zwischen den Welten leicht macht. Das Aha-Erlebnis wartet im Innenraum. Nein, nicht wegen des Ambientes, das anders als beim Plattformbruder ID4 weniger revolutionär erscheint und auf ein weitgehend digitales Cockpit samt neuem Lenkrad mit Touchfeldern setzt, aber zum Beispiel mit einem analogen Bedienfeld für die Klimatisierung oder einem Fahrschalter am Platz des früheren Getriebewählhebels trotzdem angenehm vertraut wirkt.
Die große Überraschung ist vielmehr das üppige Platzangebot, das vor allem auf dem 2,76 Meter breiten Radstand fußt: Während man sich vorne fühlt wie in einem Q5, haben die Hinterbänkler mehr Beinfreiheit als im Q7. Ähnlich große und teure Wettbewerber wie iX3 von BMW oder EQ A von Mercedes wirken dagegen wie Kleinwagen.
Als wäre das nicht genug, haben sich die Designer offenbar auch von Skoda inspirieren lassen und ein
Gpaar Simply-Clever-Ideen entwickelt: Weil es keinen Mitteltunnel mehr gibt, haben sie vorn zwischen den Sitzen Platz für eine riesige Ablage geschaffen, in die sogar ein iPad passt. Weil sie die Türverkleidung neu gedacht haben, gibt’s jetzt in Griffhöhe jeweils einen Halter, der sogar 1,5-Liter-Flaschen fasst. Das Kofferraumvolumen variiert zwischen 520 und 1490 Litern.
Während Auftritt und Ambiente neu sind, kennt man die Technik unter dem Blech aus dem Konzern. Los geht es zunächst mit drei Varianten als Q4 35 oder Q4 40 mit Heckantrieb und 125 kW oder 150 kW sowie als Q4 50 quattro, der mit einem zweiten Motor an der Vorderachse auf 220 kW kommt und zum Allradler wird. Als Schnellster in der Familie schafft er den Sprint von 0 auf 100 in 6,2 Sekunden und bekommt Auslauf bis 160 km/h, während die Hecktriebler bei 160 Sachen eingebremst werden. Den Strom dafür liefern Akkus mit einer Nettokapazität von 52 oder 77 kWh, für die Audi Normreichweiten bis zu 520 Kilometern ausweist. Geladen
wird dabei Wechselstrom mit bis zu elf und Gleichstrom mit maximal 125 kW, sodass unter idealen Bedingungen binnen zehn Minuten der Strom für 130 Kilometer fließt.
Wie alle Elektroautos ist der Wagen flüsterleise und anders als beim GT gibt es auch keinen synthetischen Sound. Doch ansonsten fährt der Q4 wie jeder andere Audi auch: Er ist so kompromissbereit und komfortabel, so präzise und berechenbar abgestimmt, dass sich wirklich jeder gut aufgehoben fühlt. Die Progressivlenkung sorgt für ein bisschen Spaß in den Kurven, die adaptiven Dämpfer kaschieren das größere Gewicht. Dass man auf den Batterien im Boden ein wenig höher sitzt, fällt bei einem SUV nicht auf. Und anders als bei E-Autos wie dem Nissan Leaf oder dem Citroën DS3 ist das Fahrgefühl alles andere als synthetisch.
Mit dem Ziel, ein für Umsteiger vom Verbrenner möglichst vertrautes Fahrgefühl zu erreichen, haben die Ingenieure aber eine Eigenheit der E-Autos verschenkt: das sogenannte One-Pedal-Feeling. Wo andere Stromer mit der zum Generator umgepolten E-Maschine schon bis zum Stillstand verzögern, wenn man nur den Fuß lupft, rollt der Q4 im Standardmodus wie im Leerlauf kilometerweit aus. Selbst wenn man von „D“auf „B“wechselt oder an den Wippen am Lenkrad zieht, braucht man schon sehr viel Weitblick, um ohne Wechsel auf das Bremspedal rechtzeitig zum Stehen zu kommen.
Dafür bietet der Q4 einen anderen Pluspunkt: Er ist für sein Format ungeheuer handlich. Weil der Antrieb im Heck sitzt und vorne kein Verbrenner mehr im Weg ist, können die Räder viel weiter einschlagen. Während sich die Hinterbänkler wie im Q7 wähnen, kommt dem Fahrer bisweilen selbst der Q2 plötzlich ein bisschen sperrig und ungelenk vor. Auch das ist ein Vorteil der dezidierten Elektroarchitektur, den umgebaute E-Modelle wie der EQ A oder der iX3 nicht bieten können.
Neben diesen neuen Eindrücken bietet der Q4 obendrein auch neue Ausblicke. Denn als erster Audi hat der Q4 ein Head-Up-Display mit so genannter Augmented Reality Technik. In der Konstruktion sehr viel aufwendiger und wegen des großen Bauraums vorerst nur in Elektrofahrzeugen möglich, projiziert das System in einer zweiten Bildebene zusätzliche Informationen ins Blickfeld des Fahrers.
Die Elektronik markiert vorausfahrende Autos oder den Fahrbahnverlauf, platziert Zielflaggen auf dem Parkplatz und lässt den Navigationspfeil vor dem Auto wie eine Drohne schweben, die stets im passenden Moment in die entsprechende Straße weist. Dieses Head-Up-Display wird zwar einen vermutlich ziemlich happigen Aufpreis kosten, doch passt es gleich doppelt gut zum Auto. Erstens, weil es den Fahrern buchstäblich die Augen öffnet und eine neue Sicht der Dinge vermittelt – genau wie es der Q4 mit der Elektromobilität bei Audi tut. Und zweitens, weil die spektakulär durchs Bild schwebenden Navigationspfeile in jeder Hinsicht beweisen, dass die Bayern diesmal wirklich wissen, wo es langgeht.