Krisenfester Supermarkt-Käse
Der Allgäuer Großkäserei Hochland hilft ihre Präsenz im Kühlregal durch das Corona-Tief – Vorstand stellt neue Rekorde in Aussicht
● HEIMENKIRCH/RAVENSBURG - Das hatte sich das Vorstandstrio der Großkäserei Hochland vor Jahresfrist noch ganz anders vorgestellt: Im Angesicht des ersten Corona-Lockdowns und eines fast kompletten Zusammenbruchs des wachstumsstarken Bereichs Foodservice (Käse für die Gastronomie) prognostizierten Unternehmenschef Peter Stahl, Finanzvorstand Hubert Staub und Marketingvorstand Thomas Brunner für das Geschäftsjahr 2020 einen Umsatzrückgang zwischen fünf und 15 Prozent. Doch es kam anders. Die Erlöse kletterten entgegen der Prognose um gut zwei Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Und hätte der russische Rubel gegenüber dem Euro nicht so einen Schwächeanfall erlitten (minus 24 Prozent), wären die Zahlen noch deutlich besser ausgefallen.
Auch das Ergebnis ließ nicht viel zu wünschen übrig. Operativ, also vor Abschreibungen, Zinsen und Steuern, legten die „Hochländer“sogar um 20 Prozent auf 150,4 Millionen Euro zu. Unter dem Strich blieb immerhin ein Jahresüberschuss von 61,8 Millionen Euro, nachdem im Jahr zuvor 62,6 Millionen Euro verdient wurden.
Der Rückgang – man ahnt es – hatte ebenfalls etwas mit dem Bereich Foodservice zu tun. Hochland musste wegen des schwindenden Käseabsatzes in der Gastronomie bei seiner
US-Tochter Franklin Foods, bei der dieses Geschäftsfeld zwei Drittel des Umsatzes ausmacht, eine Wertberichtigung in Höhe von 14,9 Millionen Euro verbuchen. Diese herausgerechnet hätte auch der Reingewinn deutlich zugelegt. „Alles in allem ist die Hochland-Gruppe gut durch das Jahr gekommen“, fasste Stahl das Ausnahmejahr nüchtern zusammen.
Hochland kam zugute, dass das 1927 gegründete Unternehmen, das heute in vierter Generation im Eigentum von drei Familien ist, in allen bedeutenden Käsekategorien tätig ist. So konnten die Rückgänge im Geschäftsfeld Foodservice durch kräftige Zuwächse im Markengeschäft (Hochland, Grünländer, Almette, Patros, Gervais) und bei den Handelsmarken
aufgefangen werden. „Wir haben 2020 im Bereich Foodservice zwar 12 600 Tonnen Käseabsatz verloren. Doch allein im Markengeschäft konnten wir 16000 Tonnen draufsatteln – weil sich die Leute mehr zu Hause verpflegt haben und in Krisenzeiten lieber auf Markenprodukte zurückgreifen“, erklärte Finanzvorstand Staub. Summa summarum hat Hochland im vergangenen Jahr 394 000 Tonnen Schmelzkäse, Hart- und Schnittkäse, Frischkäse sowie Weichkäse abgesetzt.
Für das laufende Jahr erwartet Vorstandschef Stahl „Zuwächse bei Absatz, Umsatz und Ergebnis“, wobei das Ausmaß von der Preisentwicklung der Rohwarenmärkte für Milch, Käse, Butter und Milchpulver sowie vom weiteren Verlauf der Pandemie abhänge. Vor allem die Lage auf den Milchmärkten bleibe angespannt. Stahl berichtete von Preissteigerungen „um bis zu 15 Prozent“im ersten Quartal dieses Jahres aufgrund rückläufiger Milchmengen. Das war vor Jahresfrist noch ganz anders. Damals war zu viel Milch am Markt, weshalb etliche Molkereien ihre Milchbauern aufforderten, die Milchproduktion zu reduzieren. Nach einer aktuellen Analyse von Topagrar ging es 2020 für die Milchpreise um durchschnittlich 0,8 Cent bergab. Im Schnitt haben die Molkereien 32,8 Cent für das Kilo Milch gezahlt.
Hochland, das nur in seinem oberbayerischen Werk in Schongau Rohmilch zu Frischkäse (Almette) und Weichkäse verarbeitet, gehört mit einem durchschnittlichen Milchpreis von 34,9 Cent pro Kilogramm bei dieser Auswertung zu den Molkereien, die ihre Landwirte am besten bezahlen (zusammen mit Milchwerke Oberfranken West auf Platz fünf). Wobei in dieser Rechnung, so Stahl, die für 2020 angekündigte Nachzahlung an die Landwirte noch nicht berücksichtigt sei. Inklusive der Nachzahlung würde Hochland hinter den Milchwerken Berchtesgadener Land sogar auf Platz zwei rangieren. Doch Hochland verlangt seinen Milchbauern auch einiges ab: den Verzicht auf Totalherbizide wie Glyphosat, den Verzicht auf genveränderte Futtermittel und seit Juli 2020 auch den Verzicht auf Futtermittel aus Übersee. Das kostet und muss sich auch im Milchpreis spiegeln. Die Proteste von Landwirten im Dezember vor dem Werk in Schongau hätten denn auch nicht die von Hochland gezahlten Milchpreise zum Ziel gehabt, sondern die niedrigen Erzeugerpreise im Allgemeinen und damit ihn in seiner Funktion als Vorsitzender des MilchindustrieVerbands, erklärte Stahl.
Neuigkeiten gab es schließlich noch in der etwas pikanten Angelegenheit „Goldener Windbeutel“: Die Verbraucherorganisation Foodwatch hatte den Schmähpreis im vergangenen Jahr Hochland für seinen Grünländer-Käse verliehen. Die Allgäuer werben auf der Packung mit „Milch von Freilaufkühen“. Foodwatch warf dem Unternehmen dreiste Verbrauchertäuschung vor, denn hinter dem Begriff „Freilaufkühe“steckten Tiere, die im Stall gehalten würden. Hochland wehrte sich damals mit dem Hinweis, den Begriff auf der Verpackungsrückseite transparent zu erklären. Nun kündigte Marketingvorstand Thomas Brunner an, den „Terminus Freilaufkühe“ab September nicht mehr zu verwenden. „Wir haben uns überzeugen lassen, dass der Begriff missverständlich ist und wollen keine Worthülse durch die Gegend tragen“, sagte Brunner. Statt „Freilaufkühe“wolle Hochland künftig mit Aussagen zur Recyclingfähigkeit der Verpackung werben.