„Gewundert, wie schnell das jetzt ging“
Bayern-Fans aus der Region bewerten den anstehenden Trainerwechsel und die Begleitumstände
●
EHINGEN - Seit Dienstag ist es fix: Julian Nagelsmann, noch bei RB Leipzig, wird zum 1. Juli Trainer beim Fußball-Bundesligisten FC Bayern München. Der 33-Jährige, der aus Landsberg am Lech stammt, wird Nachfolger von Hansi Flick, der nach einer kurzen, aber sehr erfolgreichen Zeit als FCB-Cheftrainer den deutschen Rekordmeister auf eigenen Wunsch verlässt. Die SZ fragte bei Bayern-Fans aus der Region nach, wie sie den Abschied von Flick, dem womöglich ein Konflikt mit Sportvorstand Hasan „Brazzo“Salihamidzic zugrundeliegt, und die Verpflichtung von Nagelsmann bewerten. Weitere Themen sind die angebliche Ablösesumme von bis zu 25 Millionen Euro, die Bayern an Leipzig für die Freigabe von Nagelsmann zahlt, und die Zukunft von Flick.
„Ich bedauere es vom Grundsatz her, dass Flick aufhört“, sagt BayernFan und Unterstadions Bürgermeister Uwe Handgrätinger, der auch auf die sechs Titel verweist, die Trainer Hansi Flick mit der Mannschaft in der Saison 2019/20 geholt hat, einschließlich Gewinn der Champions League im Sommer 2020. Dass sich die Wege von Verein und Trainer vorzeitig trennen (Flicks Vertrag lief bis 2023) und dabei womöglich FCBSportvorstand Hasan Salihamidzic eine Rolle spielt – viele Fans sehen ihn in der Verantwortung und übten im Internet teils heftige Kritik – darüber will Handgrätinger nicht spekulieren. „Man kennt nicht alle Hintergründe.“Er geht davon aus, dass beide, Flick und Salihamidzic, zu dem Disput beigetragen hätten. „Ich verstehe nur nicht, warum der Verein nicht früher eingegriffen hat“, sagt Unterstadions Bürgermeister. Die mitunter harschen Angriffe von FanSeite auf Salihamidzic sind für Handgrätinger nicht nachvollziehbar. „Brazzo“habe Fehler gemacht, aber auch seinen Anteil am Gewinn der Titel. „Und Hetze geht gar nicht.“
Positiv steht Uwe Handgrätinger Flicks Nachfolger Julian Nagelsmann gegenüber. „Ein junger, dynamischer Trainer, der gewisse Erfolge und Erfahrung mit einem Champions-League-Halbfinale mitbringt.“Dass Nagelsmann mit 33 Jahren noch sehr jung ist, stört Handgrätinger nicht. „Ich traue es ihm zu, er wird seinen Weg gehen. Es passt.“Und die angeblich bis zu 25 Millionen Euro, die Bayern für Nagelsmann als Ablöse an Leipzig überweist, seien „ein Haufen
Geld, aber so läuft das Geschäft und es ist nicht aufzuhalten“. Womöglich werden auch die Münchner für den vorzeitigen Ausstieg von Flick finanziell noch entschädigt – sollte Flick, wie viele vermuten, als Nachfolger von Joachim Löw die Nationalmannschaft übernehmen, könnte sich der DFB dafür erkenntlich zeigen.
Von Julian Nagelsmann überzeugt ist auch Wilfried Betz, Vorsitzender des seit mehr als 20 Jahren bestehenden und in der Pfarrei heimischen Bayern-Fanclubs Kohlabeck. „Nagelsmann ist ein Top-Trainer, einer der modernsten in der Bundesliga.“Als Flick-Nachfolger sei er daher „eine gute Wahl“, so Betz. Gleichwohl bedauert der frühere Vorsitzende des SSV Ehingen-Süd Flicks Abschied. „Ich hätte mir gewünscht, dass er weitermacht.“Dabei sei er zunächst skeptisch gewesen, als Flick nach der Entlassung von Niko Kovac im November 2019 bei Bayern vom Co-Trainer zum Chefcoach befördert wurde. „Anfangs war ich davon nicht überzeugt, dass Flick der richtige Trainer für Bayern ist.“Doch Betz ließ sich gern eines Besseren belehren. „Er hat eine wahnsinnig gute Arbeit geleistet. Er kann eine Mannschaft führen und motivieren. Und Flick hatte erkannt, dass Boating und Müller sehr wichtige Systemspieler sind.“Unter Kovac hatten Jerome Boateng und Thomas Müller keine großen Rollen gespielt, was sich danach wieder änderte.
Die kolportierten Unstimmigkeiten zwischen Hansi Flick und Sportvorstand Hasan Salihamidzic, die zu Flicks Ausstiegswunsch beigetragen haben können, wollte Betz nicht groß kommentieren. „Das sind interne Geschichten. Aber Flick war anscheinend in der schwächeren Position“, so der Fanclub-Vorsitzende, der sich gewünscht hätte, dass Salihamidzic stärker in die Öffentlichkeit gegangen wäre. „Er tritt mir zu wenig nach außen auf“, so Betz. „Ein Uli Hoeness hätte sich klar positioniert, aber jetzt muss der Verein Salihamidzic schützen und ihn aus der Schusslinie nehmen. Das wirkt sich vermutlich nicht gut für ihn aus.“Wilfried Betz hofft, dass sich die Aufregung bald wieder legt. „Wichtig ist, wieder Ruhe ins Umfeld zu kriegen.“Was die Zukunft von Hansi Flick angeht, sieht ihn Betz nicht zwingend beim Deutschen Fußballbund (DFB) und bei der Nationalmannschaft. „Mein Bauchgefühl sagt eher, dass er ein anderes Ziel hat.“Dass er womöglich bei einem anderen Verein einsteigt, nicht in der Bundesliga, sondern im Ausland.
„Schade, dass Hansi Flick aufhöhrt und Brazzo Salihamidzic weitermacht.“Klaus Gack, Vorsitzender des 2014 in Griesingen gegründeten Bayern-Fanclubs Donau-Riss, macht kein Hehl daraus, dass er Flick im Verein gehalten hätte. „Ein neuer Sportdirektor wäre mir lieber gewesen als ein neuer Trainer. Schade, dass dass man einen Trainer vergrault, der das Maximum aus der Mannschaft herausgeholt hat.“An Salihamidzic kritistiert Klaus Gack, dass der seit 2017 amtierende Sportdirektor und 2020 zum Sportvorstand beförderte frühere BayernSpieler in der Kaderplanung „mehr schlechte als gute Griffe“getätigt habe. „Er hat auch gute Verpflichtungen gemacht, zehrt insgesamt aber mehr vom schon vorhandenen Kader.“Von den im vergangenen Herbst geholten Spielern sei bisher nur Eric Maxim Choupo-Moting nennenswert zum Einsatz gekommen. „Mich hat Brazzo nicht überzeugt“, so der Fanclub-Vorsitzende, der auch davon ausgeht, dass die Herbst-Transfers von Salihamidzic nicht zwingend auf Wunsch von Flick erfolgt sind. Doch „muss ein Trainer, der sechs Titel geholt hat, ein Vetorecht haben“, so Gack.
Dass Julian Nagelsmann geeignet ist als Bayern-Trainer steht für Klaus Gack außer Frage. „Darüber brauchen wir nicht zu diskutieren.“Einen Wunschkandidaten für die FlickNachfolge habe er nicht gehabt, Nagelsmann zu holen sei aber „eine logische Konsequenz“– aufgrund des Werdegangs des 33-Jährigen, der zudem aus Landsberg und damit nicht weit entfernt von München stamme. „Ich hätte mir aber auch den Wolfsburger Trainer Oliver Glasner vorstellen können“, sagt Gack. Als deutschsprachige Trainer-Lösung sei eine bssere als als Nagelsmann aber derzeit nicht denkbar.