„Quantensprung“für den ländlichen Raum rund um Ehingen
Neue Haltestellen fernab der Städte: Überall sollen stündlich Busse fahren können – Auch die Alb meldet Ansprüche an – Start aber erst 2022
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EHINGEN - Wie war das nochmal mit schnellem Internet an der letzten Milchkanne im ländlichen Raum? Bundesforschungsministerin Anja Karliczek musste einst viel Kritik einstecken für ihren Spruch, wonach 5G nicht in jedem Dorf verfügbar sein müsse. Genau so macht es jetzt aber der Alb-Donau-Kreis beim öffentlichen Personennahverkehr. Ab Sommer 2022 soll jede noch so kleine Gemeinde stündlich von einem Bus erreicht werden – bis 24 Uhr an sieben Tagen die Woche.
Den Anfang soll der ländliche Raum rund um Munderkingen, Ehingen und Allmendingen machen. Das Gebiet fungiert als Modellregion. Wenn es gut läuft, sprich: die Menschen das Angebot auch nutzen, könnte es auf andere Regionen im Alb-Donau-Kreis ausgedehnt werden.
Auf die Laichinger Alb zum Beispiel. Bernd Mangold, Kreisrat und Bürgermeister von Berghülen, meldete am Montag in der Sitzung des Verwaltungsausschusses des Kreistags, in der das Projekt detailliert vorgestellt wurde, schon Mal Ansprüche an.
Doch da werden sich er und andere Kreisräte noch gedulden müssen. Denn zunächst muss der Kreis das neue Angebot ausschreiben, auch ist noch unklar, wie viel Geld das Land zuschießt (Förderung wird beantragt).
Mit einer ersten Zwischenbilanz ist erst in einigen Jahren zu rechnen, denn losgehen soll es im Sommer 2022, und angelegt ist das Vorhaben auf acht Jahre. Erst gegen Ende der Laufzeit wird sich dann zeigen, ob der messbare Ertrag (mehr Fahrgäste) den Aufwand (knapp eine halbe Million Euro Kosten jährlich) lohnt. Wobei „lohnen“Definitionssache ist. Kreisrat Robert Jungwirth befand: „Nichts tun kostet auch Geld.“Er spielte an auf Folgen eines schlecht ausgebauten ÖPNV: aussterbende Dörfer und mehr Kilometer, die die Menschen im umweltschädlicheren VerbrennerAuto zurücklegen. Das neue Projekt sei „ein Quantensprung“.
Ambitioniert ist das Projekt in jedem Fall. Markus Möller, Stellvertreter
von Landrat Heiner Scheffold, gab die Losung vor: Man wolle damit eine „nachhaltige Alternative zum Auto“schaffen in dünn besiedelten Ecken im Kreis.
Wie das neue Angebot der „flexiblen Bedienformen“funktioniert? Das erläuterte Florian Weixler, Leiter des Fachdienstes Verkehr und Mobilität im Landratsamt. Demnach sollen in dem Gebiet mindestens drei Kleinbusse mit Platz für acht Fahrgäste unterwegs sein. Das Besondere: Sie fahren keinen starren Fahrplan ab, sondern kommen dann, wenn sie von den Bürgern gerufen werden (telefonisch oder digital, Anmeldungen sind bis zu einer Stunde vor der Fahrt möglich).
Das war es dann aber in Sachen Wünschdirwas. Denn anders als RufTaxis lassen sich die Kleinbusse nur für ein vorgegebenes Zeitfenster rufen; immer dann, wenn auf den bestehenden Linien, denen das neue Angebot nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung begegnen soll, gerade länger kein Bus fährt. Ziel: Dass montags bis samstags zwischen 6 und 24 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen zwischen 7 und 24 stündlich jede noch so kleine Gemeinde (theoretisch) angefahren wird vom ÖPNV; entweder von Linienbussen oder eben den neuen Kleinbussen.
Diese fahren dann in dem festgelegten Zeitkorridor in der jeweiligen Gemeinde vor, halten jedoch nicht vor der Haustüre, sondern an Haltestellen. Positiv: Es sollen viele neue Haltepunkte geschaffen werden für die Flex-Busse. Ziel: Dass Passagiere höchstens nur noch 250 Meter zur nächsten Haltestelle laufen müssen. Beispielhaft wird dies für den Ehinger Teilort Kirchen eine Verdopplung der
Haltestellen bedeuten (von aktuell zwei auf vier).
Welchen enormen Nutzen die Flex-Busse konkret haben könnten, verdeutlichte Weixler anhand eines Musterfahrplans für die Buslinie 320 (Rechtenstein - Munderkingen). An Schultagen könnten auf dieser Linie Kleinbusse zusätzlich zum Linienverkehr in acht Zeitfenstern unterwegs sein, an schulfreien Tagen sogar 14 Mal (vorausgesetzt, sie werden gerufen). An Sonntagen fährt hier bis dato sogar gar kein Bus. Das soll sich ändern. Die Busse könnten auf diesem Strang dann ganze 17 Mal gerufen werden. Eingebettet wird das neue Angebot in den Ding-Tarif. Zugeschnitten sein sollen die neuen Verkehre auf die Bahnhöfe Ehingen, Munderkingen, Allmendingen und Rottenacker. Dessen Bürgermeister Karl Hauler begrüßte den Vorstoß, zeigte sich aber zugleich skeptisch. Ähnliche Versuche, das Angebot zu verbessern, seien in der Vergangenheit oft gescheitert, „die Ergebnisse waren ernüchternd“. Umso mehr hoffe er, „dass es dieses mal klappt“.