Teile des Klosters aus dem Mittelalter
Dank der Ausgrabungen in Rot wissen Archäologen mehr über die Entstehungsgeschichte
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ROT AN DER ROT - Die Ausgrabungen am Kloster in Rot an der Rot haben Erstaunliches zutage gebracht. Bisher wusste man nur wenig über die bauliche Entstehungsgeschichte des Klosters, das 1126 gegründet und seitdem mehrere Male neu aufgebaut wurde. Dank der jetzigen Funde kann diese nun zum Teil rekonstruiert und erstmals in einigen Teilen erhellt werden.
Die Ausgrabungen beauftragt hat die Diözese Rottenburg-Stuttgart als verantwortlicher Bauherr. Die denkmalfachliche Koordination hatte jedoch das Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart inne. Dr. Mathias Hensch ist am Landesamt Gebietsreferent für Mittelalter und Neuzeitarchäologie im Regierungsbezirk Tübingen. Begeistert erzählt er im Interview, wie wichtig es war, die Ausgrabungsstätte vollständig zu erforschen - und wie bedauerlich es aus seiner Sicht ist, dass die hier angetroffenen archäologischen Spuren nun unwiderruflich zerstört werden.
Anlass für die Ausgrabungen war, dass an dieser Stelle ein barrierefreier Aufzug für das Jugendhaus St. Norbert gebaut werden soll. Aufgrund von Aufzeichnungen war bekannt, dass sich an dieser Stelle in früherer Zeit der ehemalige Kreuzgarten des Klosters befand. „Wir wissen, dass wichtige sakrale Gebäudeteile eines Klosters bei Neubaumaßnahmen immer an gleicher Stelle wieder errichtet wurden. Daher war anzunehmen, dass wir an dieser Stelle archäologische Reste des mittelalterlichen Kreuzgangs finden würden“, erläutert er.
Mitte März begannen die Grabungen und schnell stellte sich heraus, dass die Vermutungen stimmten. Das Team der ausführenden Firma, das Archäologie-Zentrum Günzburg, unter der Leitung von Anja Seidel und der freiberuflichen Bauforscherin Dr. Karin Uetz, entdeckte Überreste des Südflügels des gotischen Kreuzgangs, also Teil des Klosters aus dem 15. Jahrhundert. Im Wesentlichen, so Hensch, handele es sich dabei um die innere Kreuzgangmauer, die den Kreuzgarten nach Süden begrenzte.
„Diese Ausgrabungen haben deutlich gezeigt, wie viele historische Informationen zur Klostergeschichte im Boden stecken“, freut sich Hensch über die Funde. „Es gibt so viele Dinge, die wir nicht wissen und das Meiste aus dieser Zeit ist schriftlose Geschichte. Über archäologische Grabungen wie diese erfahren wir daher sehr viel über die Baugeschichte des Klosters.“Die Funde und Ergebnisse der Grabungen seien ein „Schlüsselloch zur Klostergeschichte“.
Seit seiner Gründung 1138 mussten
„Hier treffen unterschiedliche Interessen aufeinander, die des Bauherren und die der Archäologen.“Mathias Hensch
Teile des Klosters immer wieder neu aufgebaut werden. Oftmals, weil es gebrannt hatte. Was bisher aber nicht klar war, welche Teile des heutigen Klosters aus welcher Epoche stammen und wann durch einen Brand oder ähnliches bestimmte Teile des Klosters zerstört wurden. „Bevor wir begonnen hatten, waren wir davon ausgegangen, auf Teile des mittelalterlichen Klosters zu stoßen“, rekapituliert Hensch. Tatsächlich stießen die Archäologen jedoch auf Funde sowohl aus dem 12. Jahrhundert als auch aus dem 15. Jahrhundert. „Wir können daher nun davon ausgehen, dass in den 1480er-Jahren es zu einer großen Umbaumaßnahme im Kloster gekommen ist, wahrscheinlich wegen eines Brands.“
Zwar sei die schriftliche Datenlage sei nicht ganz eindeutig, doch würden die Funde darauf hinweisen, dass möglicherweise ein Brand der Grund für die Baumaßnahmen war. Zudem seien die Archäologen auf einiges Baumaterial gestoßen, das sich eindeutig der romanischen Zeitepoche zuordnen lasse. „Spannend ist außerdem, dass wir auch auf gotische Maßwerkteile gestoßen sind, die jedoch nicht verbaut wurden, sondern auf der Baustelle offensichtlich einfach liegengelassen worden waren. Vermutlich, weil sie fehlerhaft waren“, so die Vermutung des Experten.
Eine weitere interessante Erkenntnis: Man wisse nun, dass vor Beginn der Baumaßnahme massiv Lehmschichten aufplaniert worden seien, um die Baustelle vorzubereiten und sie zu erhöhen. „Wahrscheinlich gab es Probleme mit Feuchtigkeit oder ähnlichem und man wollte Bauschäden vermeiden“, so die Schlussfolgerung.
Am wichtigsten sei jedoch die Erkenntnis, dass man nun wisse, dass große Teile des gotischen Klosters im Kreuzgangbereich in der heutigen Bausubstanz erhalten sind. „Zwar ist im 18. Jahrhundert ein Teil der Klosteranlage wieder abgebrannt. Beim Wiederaufbau hat man aber bauliche Elemente aus dem mittelalterlichen Bau wiederverwendet, weswegen diese bis heute erhalten sind“, erläutert Hensch. Vieles vom dem, was man also heute noch im Kloster sehe, ist also viel älter als gedacht und stammt aus dem 15. Jahrhundert. „Bisher war das nicht klar, weil die baulichen Teile beim Wiederaufbau zeitgemäß angepasst wurden und sich daher nahtlos eingefügt haben.“Das sei baugeschichtlich eine wichtige Erkenntnis. Man wisse daher nun auch indirekt viel mehr darüber, wie die Klosteranlage einst in der romanische Zeitepoche ausgesehen haben könnte.
Weitere interessante Details über die Ausstattung des Klosters habe man erfahren über Fundstücke wie zum Beispiel eine schön verzierte Bodenfliese, die auf das 13. Jahrhundert zurückdatiert werden kann, oder weitere Architekturteile, die bei den Grabungen zutage gefördert wurden. Interessanterweise wurde trotz der großen Grabungsfläche nur ein Grab gefunden. Traditionell wurden die Mönche und Laienbrüder eigentlich im Kreuzgang begraben. Die Archäologen gehen nun davon aus, dass viele andere Gräber zerstört wurden, als der erste Aufzug in den 1960er-Jahren an dieser Stelle eingebaut wurde – ohne dass dies von Archäologen begleitet wurde.
Die jetzigen Funde werden nun genau dokumentiert, denn die eigentliche Fundstelle wird durch den Bau des neuen Aufzugs teilweise zerstört. Da das Landesamt für Denkmalpflege keine Genehmigungsbehörde ist, konnte Hensch nur seine Bedenken äußern, nichts jedoch gegen die Entscheidung tun. „Hier treffen unterschiedliche Interessen aufeinander, die des Bauherren und die der Archäologen“, sagt er. Zumindest sei es nun jedoch gelungen, alle wichtigen Informationen und Funde sicherzustellen und somit für künftige Generationen zu erhalten.