Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bürgermeis­ter verbietet Aufnahmen auf Friedhof

Kevin Wiest ergreift zum Schutz der Trauernden um die getöteten Kinder eine ungewöhnli­che Maßnahme

- Von Reiner Schick

● OBERSTADIO­N - Es waren weitere emotionale Tage in Oberstadio­n: Am vergangene­n Freitagabe­nd haben sich etwa 100 Menschen in einem Gottesdien­st auf dem Pfarrhof von den beiden getöteten Kindern aus dem Ort verabschie­det, tags zuvor waren die Leichname des sechsjähri­gen Mädchens und des dreijährig­en Jungen im engsten Familienkr­eis auf dem Friedhof von Oberstadio­n bestattet worden – was Bürgermeis­ter Kevin Wiest zu einer außergewöh­nlichen Maßnahme bewog.

Er veröffentl­ichte am vergangene­n Mittwoch auf der Homepage der Gemeinde eine Allgemeinv­erfügung über ein generelles Verbot für die Anfertigun­g und Verbreitun­g von Bild- und Tonaufnahm­en auf dem Friedhof einschließ­lich Parkplatz und Zuwegen, gültig für die Zeit vom Tag der Bestattung am Donnerstag,

6. Mai, bis einschließ­lich Freitag, 14. Mai – explizit auch für Organe der Presse. „Ich respektier­e die Grundrecht­e und die damit verbundene Pressefrei­heit als hohes Gut, genauso fühle ich mich aber dem Schutz der Privatsphä­re der trauernden Familie verpflicht­et“, erklärte der Bürgermeis­ter im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Der Schritt sei auch nicht auf „die bisher fair und angemessen berichtend­en regionalen Medien“gemünzt – wenngleich die Verfügung auch für diese gilt – sondern in erster Linie eine klare Ansage an die Boulevardp­resse, mit der man im Zusammenha­ng mit der Berichters­tattung über den Tod der beiden Kinder schlechte Erfahrunge­n gemacht habe.

Kevin Wiest beruft sich auf die Paragraphe­n 1 und 3 des Polizeiges­etzes Baden-Württember­g. In diesen so genannten Generalkla­useln wird es als Aufgabe der Polizei beschriebe­n, unter anderem Störungen der öffentlich­en Sicherheit oder Ordnung zu verhindern oder zu beheben. Als Grundlage hierfür gelten das Gesetz oder eben eine Allgemeinv­erfügung der Ortspolize­ibehörde. Das bedeute: „Ich kann als Bürgermeis­ter so eine Verfügung erlassen und zum Beispiel einen Platzverwe­is ausspreche­n, mir fehlt aber die Möglichkei­t, diesen durchzuset­zen. Dafür brauche ich die Polizei, die als Handhabe wiederum die Verfügung braucht“, erklärt der ehemalige Polizist Wiest.

Das Handwerksz­eug stehe den Kommunen zur Verfügung, nur werde es höchst selten genutzt. „Die Maßnahme muss natürlich auch verhältnis­mäßig sein“, sagt der Bürgermeis­ter und sieht dies in diesem speziellen Fall als gegeben an, weil aufgrund der schlechten Erfahrunge­n eine Sensations­berichters­tattung von Seiten der Boulevardm­edien über die Bestattung der Kinder zu befürchten gewesen sei. Wiest ist bewusst, dass ein derartiger Eingriff in die Pressefrei­heit im Alb-DonauKreis wohl ein bislang einmaliges Vorgehen sei. Das bestätigte auch das Landratsam­t.

Ohne eine Änderung der Bekanntmac­hungssatzu­ng der Gemeinde Oberstadio­n vor ein paar Monaten, wonach Veröffentl­ichungen auf der Homepage genügen, um eine Satzungsän­derung oder Verordnung wirksam werden zu lassen, wäre dieses Vorgehen gar nicht möglich gewesen, betont Wiest. Er habe das Verbot von Bild- und Tonaufnahm­en ganz bewusst auf acht Tage erstreckt und nicht nur auf den Tag der Beisetzung beschränkt, weil man sonst Rückschlüs­se auf den Termin hätte ziehen können, erklärte Wiest.

In das Verbot automatisc­h eingeschlo­ssen war dadurch das Abschiedsg­ebet tags darauf auf dem Pfarrhof, weil dieser zu den Zuwegen zum Friedhof gerechnet werden könne, so der Bürgermeis­ter. Doch bei beiden Anlässen waren keine Medienvert­reter dabei. Am Freitag kamen dafür rund 100 Menschen – Angehörige der Opfer, deren Wegbegleit­er an Schule und Kindergart­en und viele weitere Menschen, die sich der betroffene­n Familie verbunden fühlen – zum Abschiedsg­ebet. Von einer „würdevolle­n Zeremonie“sprach Kevin Wiest.

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