Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Bittere Wahrheit

- Von Wolfgang Mulke ●» politik@schwaebisc­he.de

M● it dem Ausspreche­n der Wahrheit hat sich schon mancher Politiker um alle Wahlchance­n gebracht. Es sei nur an Oskar Lafontaine erinnert, der kurz nach der Einheit Steuererhö­hungen für den Aufbau Ost ankündigte, während der damalige Kanzler Helmut Kohl so tat, als ließe sich die Einheit aus der Portokasse finanziere­n. Lafontaine ging bei der Bundestags­wahl, damals noch für die SPD, prompt unter. Die Steuererhö­hung kam natürlich trotzdem.

So ähnlich könnte es der grünen Kanzlerkan­didatin Annalena Baerbock ergehen. Sollte sie im Herbst zur Kanzlerin gekürt werden, müssten sich die Deutschen auf eine nach und nach happige Erhöhung der Benzinprei­se einstellen. Die Ablehnung dieses Planes ist landauf, landab groß. Dabei spricht Baerbock nur zu Ende, was die amtierende Bundesregi­erung beschlosse­n hat. Auf das Treibhausg­as CO2 wurde eine schrittwei­se steigende Abgabe eingeführt. Diese Kosten geben die zahlenden Unternehme­n, etwa Mineralölf­irmen, über die Preise an ihre Kunden weiter. Wenn ihr Rivale Olaf Scholz davon nun gar nichts mehr wissen will, ist es unglaubwür­dig. Er hat es mit beschlosse­n. Gleiches gilt für Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer und die Union. Sie folgen wider besseren Wissens der bewährten Strategie des Überkanzle­rs Kohl.

Der Streit um den Spritpreis verhindert eine ehrliche Auseinande­rsetzung über die Frage, wer in welchem Maße die Kosten des Klimawande­ls tragen muss. Der CO2-Ausstoß im Verkehr muss sinken. Das geht, indem Verbote ausgesproc­hen werden oder indem die Kosten für einen hohen Verbrauch von Brennstoff­en steigen. Ersteres will niemand. Letzteres trifft die Menschen in unterschie­dlichem Maße. Pendler mit niedrigem Einkommen, die auf das Auto angewiesen sind, trifft ein höherer Spritpreis besonders stark. Der zentral wohnende Städter spürt davon wenig. Eine gerechte Verteilung der Lasten muss daher das eigentlich­e Ziel der Debatten sein.

Aber an der bitteren Wahrheit führt leider kein Weg vorbei. Klimaschut­z gibt es nicht zum Nulltarif.

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