Bittere Wahrheit
M● it dem Aussprechen der Wahrheit hat sich schon mancher Politiker um alle Wahlchancen gebracht. Es sei nur an Oskar Lafontaine erinnert, der kurz nach der Einheit Steuererhöhungen für den Aufbau Ost ankündigte, während der damalige Kanzler Helmut Kohl so tat, als ließe sich die Einheit aus der Portokasse finanzieren. Lafontaine ging bei der Bundestagswahl, damals noch für die SPD, prompt unter. Die Steuererhöhung kam natürlich trotzdem.
So ähnlich könnte es der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock ergehen. Sollte sie im Herbst zur Kanzlerin gekürt werden, müssten sich die Deutschen auf eine nach und nach happige Erhöhung der Benzinpreise einstellen. Die Ablehnung dieses Planes ist landauf, landab groß. Dabei spricht Baerbock nur zu Ende, was die amtierende Bundesregierung beschlossen hat. Auf das Treibhausgas CO2 wurde eine schrittweise steigende Abgabe eingeführt. Diese Kosten geben die zahlenden Unternehmen, etwa Mineralölfirmen, über die Preise an ihre Kunden weiter. Wenn ihr Rivale Olaf Scholz davon nun gar nichts mehr wissen will, ist es unglaubwürdig. Er hat es mit beschlossen. Gleiches gilt für Verkehrsminister Andreas Scheuer und die Union. Sie folgen wider besseren Wissens der bewährten Strategie des Überkanzlers Kohl.
Der Streit um den Spritpreis verhindert eine ehrliche Auseinandersetzung über die Frage, wer in welchem Maße die Kosten des Klimawandels tragen muss. Der CO2-Ausstoß im Verkehr muss sinken. Das geht, indem Verbote ausgesprochen werden oder indem die Kosten für einen hohen Verbrauch von Brennstoffen steigen. Ersteres will niemand. Letzteres trifft die Menschen in unterschiedlichem Maße. Pendler mit niedrigem Einkommen, die auf das Auto angewiesen sind, trifft ein höherer Spritpreis besonders stark. Der zentral wohnende Städter spürt davon wenig. Eine gerechte Verteilung der Lasten muss daher das eigentliche Ziel der Debatten sein.
Aber an der bitteren Wahrheit führt leider kein Weg vorbei. Klimaschutz gibt es nicht zum Nulltarif.