Naturschützer haben Zweifel an Windkraftziel
Kritik an Beschränkung des Ausbaus auf landeseigenen Flächen – Forderung nach Standorten auf Privatgebiet
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STUTTGART (lsw) - Nach dem ersten Applaus für die ehrgeizigen Klimaschutzziele im Koalitionsvertrag der grün-schwarzen Regierung kommen bei Naturschützern Zweifel am erfolgreichen Ausbau der Windkraft. Vor allem das Vorhaben, bis zu 1000 Windräder allein auf Staatswaldund Landesflächen aufzustellen, sei kaum zu schaffen. „Das halte ich für unrealistisch, solange man sich auf Landesflächen beschränkt“, sagte die neue BUND-Landesvorsitzende Sylvia Pilarsky-Grosch.
Sie sehe im Koalitionsvertrag zudem keinen Ansatz, wie sich das Ziel bereits in den kommenden Jahren umsetzen lassen könne. „Das Ausweisen von Flächen und der Landesentwicklungsplan sind zeitraubende Vorgänge und Abläufe“, sagte die Landeschefin des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND). „Wenn es gelingt, in fünf Jahren einen guten Schritt zu gehen, dann ist das schnell gewesen.“
Der Nabu, der zweite große Naturschutzverband des Landes, hält das Vorhaben zwar ebenfalls für ehrgeizig, erinnert aber auch an das übergeordnete Ziel: „Mag sein, dass diese Zahl unrealistisch ist“, sagt der Nabu-Landesvorsitzende Johannes Enssle. „Leider ist sie aber auch notwendig, wenn wir uns anschauen, wo wir eigentlich hinkommen müssen, wenn wir klimaneutral werden wollen.“ Die Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, in den kommenden Jahren bis zu 1000 Windräder aufzustellen. Dazu soll der Staatswald stärker für den Ausbau geöffnet und dort jede zweite Anlage errichtet werden. Den „Stuttgarter Nachrichten“und der „Stuttgarter Zeitung“sagte ein Sprecher der Regierung: „Bei der Windkraft haben wir die Möglichkeit, schnell Flächen im Staatswald auszuweisen und dafür eine Vermarktungsoffensive zu starten.“
Rund 320 000 Hektar oder etwa ein Viertel des baden-württembergischen Waldes gehören dem Land, 40 Prozent sind in Besitz von Städten und Gemeinden. Bis heute drehen sich im Staatswald allerdings erst 85
Windräder. Nach Ansicht von Pilarsky-Grosch müssen deshalb neben Staatswald- und Landesflächen auch weitere Gebiete als mögliche Standorte stärker in den Blick genommen werden. „Es gibt ja auch private Flächen außerhalb des Staatsforsts und andere Flächen ohne Bewaldung, wie zum Beispiel Felder“, sagte sie. „Mir ist egal, wo gebaut wird, ob auf staatlichen oder auf privaten Flächen.“
Ökostrom aus Wind ist ein zentraler Pfeiler der Energiewende, er ist in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren aber stark ins Stocken geraten. Als wesentliche Gründe gelten lange Genehmigungsverfahren, viele Klagen und Vorgaben des Bundes, die Baden-Württemberg im Vergleich
zu Norddeutschland benachteiligen. Außerdem müssen Artenschutz und Windkraft kompliziert zusammengedacht werden.
Darauf verweist auch der für den Staatswald verantwortliche Forstminister Peter Hauk (CDU), der sich wegen dieser Frage seit Jahren mit dem Umweltministerium auseinandersetzt. „Wenn es derzeit zu Verboten beim Ausbau der Windkraft kommt, liegt es häufig an Konflikten mit dem Artenschutz, hier müssen Lösungen gefunden werden, denn wir brauchen beides“, sagte er. „Klar ist aber, wenn schon der Verdacht des Brütens eines Schwarzstorchs ausreicht, um Windräder zu verhindern, werden wir im Klimaschutz nicht weiterkommen.“
Hauk fordert eine Reform des Artenschutzes, um den Ausbau der Windkraft zu forcieren. Es gebe einen Konflikt innerhalb der Umweltpolitik zwischen Artenschutz und Klimaschutz. „Das muss das Umweltministerium klären. Es wird am Ende nicht am Forst liegen, dass zu wenig Flächen bereitstehen“, versicherte er.
Die Naturschützer zeigen sich offen für Gespräche zum Artenschutz. Es könnten Ausnahmen erteilt werden, um Windenergieanlagen zu erlauben, sagte Pilarsky-Grosch. „Aber dafür braucht es Artenstützungsprogramme, ein Konzept also, wie diese Art außerhalb der Windenergiegebiete gestützt werden kann“, sagte sie.