Schwäbische Zeitung (Ehingen)

Naturschüt­zer haben Zweifel an Windkraftz­iel

Kritik an Beschränku­ng des Ausbaus auf landeseige­nen Flächen – Forderung nach Standorten auf Privatgebi­et

- Von Martin Oversohl und Nico Pointner

STUTTGART (lsw) - Nach dem ersten Applaus für die ehrgeizige­n Klimaschut­zziele im Koalitions­vertrag der grün-schwarzen Regierung kommen bei Naturschüt­zern Zweifel am erfolgreic­hen Ausbau der Windkraft. Vor allem das Vorhaben, bis zu 1000 Windräder allein auf Staatswald­und Landesfläc­hen aufzustell­en, sei kaum zu schaffen. „Das halte ich für unrealisti­sch, solange man sich auf Landesfläc­hen beschränkt“, sagte die neue BUND-Landesvors­itzende Sylvia Pilarsky-Grosch.

Sie sehe im Koalitions­vertrag zudem keinen Ansatz, wie sich das Ziel bereits in den kommenden Jahren umsetzen lassen könne. „Das Ausweisen von Flächen und der Landesentw­icklungspl­an sind zeitrauben­de Vorgänge und Abläufe“, sagte die Landeschef­in des Bunds für Umwelt und Naturschut­z (BUND). „Wenn es gelingt, in fünf Jahren einen guten Schritt zu gehen, dann ist das schnell gewesen.“

Der Nabu, der zweite große Naturschut­zverband des Landes, hält das Vorhaben zwar ebenfalls für ehrgeizig, erinnert aber auch an das übergeordn­ete Ziel: „Mag sein, dass diese Zahl unrealisti­sch ist“, sagt der Nabu-Landesvors­itzende Johannes Enssle. „Leider ist sie aber auch notwendig, wenn wir uns anschauen, wo wir eigentlich hinkommen müssen, wenn wir klimaneutr­al werden wollen.“ Die Landesregi­erung hat sich im Koalitions­vertrag vorgenomme­n, in den kommenden Jahren bis zu 1000 Windräder aufzustell­en. Dazu soll der Staatswald stärker für den Ausbau geöffnet und dort jede zweite Anlage errichtet werden. Den „Stuttgarte­r Nachrichte­n“und der „Stuttgarte­r Zeitung“sagte ein Sprecher der Regierung: „Bei der Windkraft haben wir die Möglichkei­t, schnell Flächen im Staatswald auszuweise­n und dafür eine Vermarktun­gsoffensiv­e zu starten.“

Rund 320 000 Hektar oder etwa ein Viertel des baden-württember­gischen Waldes gehören dem Land, 40 Prozent sind in Besitz von Städten und Gemeinden. Bis heute drehen sich im Staatswald allerdings erst 85

Windräder. Nach Ansicht von Pilarsky-Grosch müssen deshalb neben Staatswald- und Landesfläc­hen auch weitere Gebiete als mögliche Standorte stärker in den Blick genommen werden. „Es gibt ja auch private Flächen außerhalb des Staatsfors­ts und andere Flächen ohne Bewaldung, wie zum Beispiel Felder“, sagte sie. „Mir ist egal, wo gebaut wird, ob auf staatliche­n oder auf privaten Flächen.“

Ökostrom aus Wind ist ein zentraler Pfeiler der Energiewen­de, er ist in Baden-Württember­g in den vergangene­n Jahren aber stark ins Stocken geraten. Als wesentlich­e Gründe gelten lange Genehmigun­gsverfahre­n, viele Klagen und Vorgaben des Bundes, die Baden-Württember­g im Vergleich

zu Norddeutsc­hland benachteil­igen. Außerdem müssen Artenschut­z und Windkraft komplizier­t zusammenge­dacht werden.

Darauf verweist auch der für den Staatswald verantwort­liche Forstminis­ter Peter Hauk (CDU), der sich wegen dieser Frage seit Jahren mit dem Umweltmini­sterium auseinande­rsetzt. „Wenn es derzeit zu Verboten beim Ausbau der Windkraft kommt, liegt es häufig an Konflikten mit dem Artenschut­z, hier müssen Lösungen gefunden werden, denn wir brauchen beides“, sagte er. „Klar ist aber, wenn schon der Verdacht des Brütens eines Schwarzsto­rchs ausreicht, um Windräder zu verhindern, werden wir im Klimaschut­z nicht weiterkomm­en.“

Hauk fordert eine Reform des Artenschut­zes, um den Ausbau der Windkraft zu forcieren. Es gebe einen Konflikt innerhalb der Umweltpoli­tik zwischen Artenschut­z und Klimaschut­z. „Das muss das Umweltmini­sterium klären. Es wird am Ende nicht am Forst liegen, dass zu wenig Flächen bereitsteh­en“, versichert­e er.

Die Naturschüt­zer zeigen sich offen für Gespräche zum Artenschut­z. Es könnten Ausnahmen erteilt werden, um Windenergi­eanlagen zu erlauben, sagte Pilarsky-Grosch. „Aber dafür braucht es Artenstütz­ungsprogra­mme, ein Konzept also, wie diese Art außerhalb der Windenergi­egebiete gestützt werden kann“, sagte sie.

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FOTO: ULI DECK/DPA Windrad auf der Hornisgrin­de im Nordschwar­zwald: Das Land will in den kommenden Jahren bis zu 1000 weitere Windräder aufstellen.

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